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Corona in Kasachstan: Eigener Impfstoff, aber wenig Bereitschaft

Die dritte Corona-Welle steuert in Kasachstan auf ihren Höhepunkt zu. Denn das zentralasiatische Land hat zwar seinen eigenen Impfstoff entwickelt. Doch die Bereitschaft zum Impfen ist gering.
von Christoph Mohr · 29. Juli 2021
Zutritt nur getestet oder geimpft: Besucher*innen dieses Restaurants in Kasachstan müssen einen QR-Code scannen.
Zutritt nur getestet oder geimpft: Besucher*innen dieses Restaurants in Kasachstan müssen einen QR-Code scannen.

Der größte Staat Zentralasiens befindet sich mitten in der dritten Welle der Pandemie und steuert auf einen neuen Höhepunkt zu: Für August 2021 werden bis zu 11 000 Fälle täglich erwartet, und das bei nur 18 Millionen Einwohner*innen. Extrapoliert man diesen Wert auf Deutschland, wären das circa 50 000 Fälle pro Tag. Die Krankenhäuser sind abermals an der Belastungsgrenze angekommen und das Land steht kurz vor einem weiteren strikten Lockdown.

Noch weniger Impfbereitschaft als in Russland

Die Impfkampagne verläuft schleppend: Kasachstan reiht sich in die Liste der Länder ein, in denen die Impfbereitschaft der Bevölkerung gering ist. Bisher sind nur etwa 17 Prozent der Menschen vollständig geimpft. Selbst im impfkritischen Raum der ehemaligen Staaten der Sowjetunion sticht Kasachstan negativ heraus: Nur rund ein Viertel der kasachischen Bevölkerung steht einer Impfung positiv gegenüber – weniger als in Russland oder der Ukraine. Die Gründe hierfür sind vielseitig: mangelndes allgemeines Vertrauen in die Regierung, Konsum kritischer Medien, hohe Zirkulation an Verschwörungstheorien und ein später Start der Impfkampagne trugen dazu bei, dass nicht mehr Menschen einen Impfschutz haben.

Dabei hatte die Republik hervorragende Voraussetzungen, um der Pandemie entgegenzuwirken: Kasachstan hat einen eigenständig entwickelten Impfstoff (QazVac) auf den Markt gebracht, ausreichend Impfstoff (Sputnik-V, Sinopharm bzw. zum Ende des Jahres auch BioNTech/Pfizer) bestellt und selbst in den Regionen fernab der Hauptstadt Nur-Sultan für gute Verfügbarkeit gesorgt. Die Erfolge der vergangenen Monate bei der Bereitstellung des Impfstoffes und der Entwicklung diverser digitaler Lösungen – was Terminvergabe, Impfnachweise und Zugang zu öffentlichen Gebäuden angeht – sind beeindruckend, und das nicht nur im regionalen Vergleich. Dennoch: Die besten Impfkampagnen scheitern, wenn nicht genug Menschen bereit sind, sich tatsächlich impfen zu lassen. Dass die Deltavariante des Coronavirus zu dem Zeitpunkt in Kasachstan eintraf, als die Impfkampagne stagnierte, erklärt die nun exponentiell steigenden Fallzahlen.

Zugang an Impfung geknüpft

Die Reaktion der Regierung ähnelt jener, die in Frankreich, Italien und anderen Ländern zu beobachten ist: erhöhter Zwang und de facto Impf-Verpflichtungen. Seit dem 1. Juli muss ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung einen Impfnachweis oder wöchentliche Tests – die selbst zu bezahlen sind – vorweisen. Staatsbedienstete sind hiervon explizit nicht ausgenommen, sondern sogar angehalten, sich umgehend impfen zu lassen. Der Zugang zu öffentlichen Gebäuden, Restaurants, Kinos, Theatern, aber auch Malls oder eben dem Arbeitsplatz wird zunehmend vom eigenen Impfstatus – überprüft über die App „Ashyq“ – abhängig gemacht.

Ob ein Großteil der Bevölkerung in Anbetracht der zunehmenden Restriktionen das Impfangebot annehmen wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch, dass die kasachische Wirtschaft, kleine und mittelständische Unternehmen, der Tourismussektor und die vielen Beschäftigten in der informellen Ökonomie ein großes Eigeninteresse am Abwenden weiterer Lockdowns haben. Kasachstan könnte im postsowjetischen Raum sogar zum primus inter pares werden – die Werkzeuge hierfür sind vorhanden.

Am 26. Juli erschienen im IPG-Journal.

Autor*in
Christoph Mohr

ist Regionaldirektor der FES in Kasachstan und Usbekistan. Er ist Mitherausgeber des Bandes „Flucht, Migration und die Linke in Europa“ (Dietz 2017).

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