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Corona in Kamerun: Das Virus entschärft einen Konflikt

In vielen Ländern gibt es bewaffnete Konflikte, die trotz der Corona-Pandemie keine Pause machen. Doch in Kamerun scheint der Aufruf zum weltweiten Waffenstillstand zu fruchten – zumindest teilweise.
von Nina Netzer · 7. Mai 2020
Ein Polizist in Kameruns Hauptstadt Jaunde: In dem zentralafrikanischen Staat sorgt das Coronavirus für einen Waffenstillstand.
Ein Polizist in Kameruns Hauptstadt Jaunde: In dem zentralafrikanischen Staat sorgt das Coronavirus für einen Waffenstillstand.

Angesichts der Corona-Krise rief UN-Generalsekretär António Guterres Anfang April zu einem weltweiten Waffenstillstand auf.  Er forderte „bewaffnete Akteure“ auf der ganzen Welt auf, ihre Waffen niederzulegen und stattdessen gemeinsam gegen das Virus zu kämpfen. Im zentralafrikanischen Kamerun scheinen seine Worte zumindest teilweise auf fruchtbaren Boden zu fallen: Seit einigen Wochen hat sich die Zahl der Attacken in den zwei anglophonen Regionen des Landes deutlich verringert. Dort kämpfen seit 2016 verschiedene separatistische Bewegungen gegen Regierungstruppen für einen eigenen Staat. Dies liegt wahrscheinlich nur zum Teil daran, dass das öffentliche Leben durch das Coronavirus auch in diesen Regionen größtenteils zum Erliegen gekommen ist. Bereits seit einigen Monaten häufen sich die Hinweise, dass die separatistischen Gruppen nach fast vier Jahren bewaffneten Kämpfen militärisch stark geschwächt sind, die Geldflüsse aus der Diaspora knapper werden und die Separatisten zunehmend in verschiedene Gruppierungen zerfallen.

Tatsächlich boten Vertreter*innen der 2017 ausgerufenen Republik Ambazonien kurz nach dem Aufruf des UN-Generalsekretärs der kamerunischen Regierung einen Waffenstillstand an. Auch wenn die Regierung sich nicht dazu äußerte, ging sie ihrerseits einen Schritt auf die Separatist*innen zu und bekannte die Schuld am „Massaker von Ngarbuh“, bei dem im März Regierungssoldat*innen 21 Zivilist*innen, darunter mindestens drei Frauen und zehn Kinder, töteten. Drei Soldat*innen wurden verhaftet und der Fall wird vor einem Militärgericht verhandelt. Angesichts der Tatsache, dass die Regierung in diesem und auch im Falle früherer Massaker jegliche Schuld von sich wies und Anschuldigungen gegen ihre Soldat*innen als „Fake News“ bezeichnete, ist das ein bemerkenswerter Schritt.

Millionen haben ihre Heimat verloren

Trotz einiger positiver Signale bleiben die Herausforderungen immens: Der Konflikt hat mehr als eine halbe Millionen Binnenflüchtlinge zurückgelassen, welche nicht mehr in ihre niedergebrannten Dörfer zurückkehren können. Mehr als eine Million Menschen in diesen Regionen benötigen humanitäre Hilfe, doch die internationalen Hilfslieferungen sind in Zeiten der Corona-Krise ausgehebelt, da die Regierung den Luftraum und alle Grenzen geschlossen hat. Zudem bestehen die Ursachen des Konflikts weiter: Der 87–jährige Machthaber Paul Biya sorgt seit 1982 von Jaunde aus mit seinem zentralistischen Führungsstil dafür, dass den anglophonen Regionen nicht viele Freiheiten gelassen werden und Sprache, Rechtswesen und Kultur von der Hauptstadt aus bestimmt werden. Daran hat sich bisher nichts grundlegend geändert.

Dennoch liegt in der Corona-Krise für viele Bürgerkriegsregionen eine Chance, dem Frieden oder zumindest einem Waffenstillstand einen Schritt näher zu kommen. Auch das Beispiel Kamerun zeigt, dass der Kampf gegen das Virus viele Kapazitäten seitens des Staates bindet, sei es in der Durchsetzung von Ausgangssperren durch Polizei und Militär, beim Management und Aufbau maroder Gesundheitssysteme oder bei der Entwicklung von Hilfspaketen für Unternehmen und die Bevölkerung. Diese fehlen der Regierung beim Kampf gegen bewaffnete Gruppen wie den Separatisten im Nordwesten und Südwesten oder Boko Haram im Hohen Norden.

Corona-Hilfen gegen Friedensverhandlungen?

Hier können internationale Akteur*innen ansetzen und versuchen, positive Entwicklungen zu stärken: Dass die Regierung in Kamerun die Schuld für das Massaker von Ngarbuh akzeptierte, lag nicht zuletzt daran, dass internationale Gruppen wie Human Rights Watch immer wieder öffentliche Aufmerksamkeit für die Gräueltat und ihre Aufklärung forderten. Und auch Regierungen, die traditionell enge Verbindungen pflegen – im Falle Kameruns etwa Deutschland, Frankreich oder die USA -, können sich nun im Rahmen ihrer Corona-Hilfspakete dafür einsetzen, dass ein Waffenstillstand erreicht wird. Ein wichtiger Anfang wäre es, mit der jeweiligen Regierung zu verhandeln, dass auch im Falle geschlossener Grenzen Flugzeuge mit humanitären Hilfsgütern eine Ausnahmegenehmigung erhalten – in der Hoffnung, dass der Appell Guterres’ zumindest in manchen Fällen Realität wird.

Dieser Artikel erschien zuerst im IPG-Journal am 5. Mai.

Autor*in
Nina Netzer

Nina Netzer ist seit 2019 Büroleiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kamerun. Zuvor war sie Referentin im Afrikareferat, leitete das globale Klima- und Energieprojekt der Stiftung und arbeitete im Europabüro der FES in Brüssel.

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