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Corona-Impfungen in Serbien: China, Russland oder der Westen?

Auch Serbien hat zu Jahresbeginn mit Corona-Impfungen begonnen. Die Bürger*innen können wählen, ob sie den Impfstoff aus China, Russland oder dem Westen haben wollen. Die meisten entscheiden sich für Sputnik V.
von Max Brändle · 5. Februar 2021
Warteschlange vor einem Impfzentrum in Belgrad.
Warteschlange vor einem Impfzentrum in Belgrad.

China, Russland, Europa und die USA – das sind die vier Säulen der serbischen Außenpolitik. Wie in den glanzvollen Zeiten Tito-Jugoslawiens hat sich die Republik Serbien eine Außenpolitik der Balance zwischen den Großmächten zum Ziel gesetzt, um von ihrer unabhängigen Lage in der Mitte und von der Zusammenarbeit mit allen vier zu profitieren. Das mag ein abstraktes – und nicht ganz kohärentes – Konstrukt ambitionierter serbischer Außenpolitik und Diplomatie sein; doch für den gewöhnlichen serbischen Bürger wird es nun zur ganz konkreten Frage: Seit Mitte Januar kann man sich auf der serbischen E-Government-Seite euprava.gov.rs zur Impfung gegen Covid-19 anmelden und muss dann ankreuzen: China, Russland, oder Europa-USA – welchen Impfstoff hätten Sie denn gerne? Sinopharm aus China, den russischen „Sputnik V“ oder doch lieber den in Deutschland entwickelten und in den USA produzierten Impfstoff von Pfizer-Biontech?

Hart getroffen von der zweiten Welle

Schon zu Beginn der Corona-Krise im März 2020 hatte die serbische Staatsführung unter dem unangefochtenen und zunehmend autoritär agierenden Präsidenten Aleksandar Vucic ihre Offenheit gegenüber Hilfe aus Russland und China demonstriert. Die europäische Solidarität, so der Staatspräsident Vucic, sei nur ein Märchen auf Papier, Hilfe und Unterstützung sei allein von Freund und Bruder Xi, dem chinesischen Staatspräsidenten, zu erwarten.

Die erste Welle hatte Serbien gut abgefangen; die zweite Welle aber traf das Land mit großer Härte. Die in Deutschland als Kennzahl viel beachtete Sieben-Tage-Inzidenz lag in Serbien Anfang Dezember 2020 bei 731,6 (in Deutschland lag der Höchstwert am 22. Dezember 2020 bei 197,6).

Hilfe kommt aus China

Nun kommt Hilfe wiederum aus China. In Verhandlungen hat sich Serbien für seine knapp sieben Millionen Einwohner*innen 6,5 Millionen Impfdosen unterschiedlicher Hersteller*innen gesichert. Doch was zählen schon Bestellungen und Verträge? Präsident Vucic präsentierte sich abermals als Retter der Nation und konnte Erfolge vorweisen: Am 16. Januar 2021 nahm der Präsident gemeinsam mit der chinesischen Botschafterin am Belgrader Flughafen die Lieferung von einer Million Impfdosen des chinesischen Vakzins Sinopharm in Empfang. Seitdem wird in Serbien weniger über ausbleibende Lieferungen oder die richtige Reihenfolge beim Impfen lamentiert, sondern beherzt losgelegt. Mit 6,5 Prozent liegt der Anteil der bereits geimpften Bevölkerung hinter Großbritannien an zweiter Stelle in Europa.

Wer sich bei der Registrierung zur Impfung für den chinesischen Impfstoff entscheidet, bekommt innerhalb einer Woche einen Termin und kann sich zur Impfung einreihen. Laut einer repräsentativen Umfrage des Thinktanks NSPM ist der russische Impfstoff am beliebtesten; fast die Hälfte der Impfwilligen (47,5 Prozent) gab an, sich mit Sputnik V impfen lassen zu wollen.

Vertrauensverlust der EU

Der Erfolg der Impfkampagne in Serbien dokumentiert einen Vertrauensverlust der EU in Serbien, das seit 2014 Beitrittsverhandlungen führt, die aufgrund des Verfalls der demokratischen Institutionen in Serbien ins Stocken geraten sind. Gleichzeitig ist die massenweise Impfung ein Erfolg des zunehmend autoritären Regimes. Die Umfrage in „Vreme“ hat eine klare Korrelation zwischen der Impfbereitschaft der Bevölkerung und der Unterstützung für die Regierungspartei des Präsidenten Aleksandar Vucic festgestellt.

Man darf aber doch bezweifeln, dass das Impfen in Serbien wirklich zum außenpolitischen Bekenntnis wird. Am Ende ist wohl derjenige Impfstoff der beste, der auch zur Verfügung steht. Und schließlich siegt auch ein – mehr oder weniger – gesunder Pragmatismus. So zitiert „Vreme“ aus der Umfrage eine 58-jährige Belgraderin: „Ich möchte gerne geimpft werden, aber mit dem russischen Impfstoff. Na ja, aber es gibt da diese Bedingung, dass man bei diesem Vakzin 20 Tage vor der Impfung keinen Alkohol trinken darf und nicht mehr rauchen soll. Da muss bei mir dann wohl doch der chinesische Stoff reichen.“

Erschienen am 4. Februar im IPG-Journal

Autor*in
Max Brändle

leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Warschau. Zuvor war er Leiter des FES-Büros in Belgrad.

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