Corona-Impfungen in Nigeria: Warten auf die erste Lieferung
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„Bisher ist ja alles recht gut gegangen.“ Das ist der Eindruck, den viele aus der ersten Corona-Welle in Nigeria gewonnen haben. Sicher, es gibt mittlerweile über 100 000 Fälle seit Beginn der Pandemie, aber die Bilder sich stapelnder Särge sind Afrikas größter Nation bislang erspart geblieben. Steigende Strompreise und die repressive Reaktion der Regierung auf die #endSARS Proteste des letzten Jahres dominierten eher die Schlagzeilen, ebenso wie die steigende Kriminalität und Terrorgefahr. Und so schaut man gleichermaßen angespannt wie abwartend auf die zweite Welle, die mit steigenden Zahlen in Abuja und Lagos wohl endgültig das Land erreicht hat, und auf den Beginn der Impfungen in den USA und Europa.
Die Regierung Nigerias hat angekündigt, dass die ersten 100 000 Impfdosen das Land Ende Januar, Anfang Februar erreichen sollen. Als erstes sollen damit 50 000 sogenannte Frontline-Workers im Gesundheitssektor versorgt werden, zudem ist wohl die öffentliche Impfung Präsident Buharis und seines Vizes sowie der Gouverneure der Einzelstaaten geplant. Zur Herkunft dieser 100 000 Dosen gibt es widersprüchliche Angaben, meist wird aber von dem Impfstoff von BioNtech-Pfizer ausgegangen.
Wenig Impfstoff, einige Fragezeichen
100 000, das ist eine verschwindend geringe Menge für ein rund 200 Millionen Einwohner zählendes Land. Bis Ende des Jahres plant die Regierung nach eigenen Angaben dennoch, 40 Prozent der Bevölkerung mit Impfstoff zu versorgen, 70 Prozent Impfquote sollen dann bis Ende 2022 erreicht werden. Nach dem medizinischen Personal ist grundsätzlich eine Priorisierung nach Altersgruppen und Vorerkrankungen geplant.
Ob diese Zahlen realistisch sind, kann niemand sagen. In entsprechenden Artikeln werden zwar immer wieder sämtliche zugelassenen oder kurz vor der Zulassung stehenden Impfstoffe genannt, allerdings ist für die Öffentlichkeit völlig unklar, mit welchen Herstellern überhaupt Verhandlungen geführt werden bzw. ob bereits Verträge bestehen. Über gemeinsame Beschaffungsstrategien innerhalb der Afrikanischen Union oder ECOWAS hört man wenig. Nach der Lieferung ist eine wie auch immer geartete Prüfung durch nigerianische Behörden geplant, vereinzelt hört man auch Zweifel an der Verträglichkeit der ausländischen Impfstoffe.
Generell ist schwer einzuschätzen, wie die Impfungen, so sie denn zur Verfügung stehen, von den Nigerianerinnen und Nigerianern angenommen werden. Bei der Bekämpfung von Polio wurden zuletzt große Erfolge erzielt, dennoch halten sich viele Impf-Verschwörungsmythen, bis hin zu dem Vorwurf, Vakzine sollten „die Afrikaner“ heimlich unfruchtbar machen, um das Bevölkerungswachstum zu kontrollieren.
Kampagne: kostenlos und ohne Pflicht
In jedem Fall soll die Impfung für die Bevölkerung nicht verpflichtend, aber kostenlos sein. Zuletzt hieß es, 20 Prozent der benötigten Vakzine sollten über „Donations“ finanziert werden, also vermutlich aus Programmen der Internationalen Gemeinschaft oder von Geberländern, der Rest aus dem nationalen Budget. Als ölexportierendes Land dürfte Nigeria grundsätzlich keine Probleme haben, diese Kosten zu stemmen. Allerdings hat die Opposition im Parlament zu Recht darauf hingewiesen, dass im Etat für 2021 offensichtlich keine Mittel für die Beschaffung von Impfstoff auf dem internationalen Markt vorgesehen wurden.
Neben der Beschaffung dürfte die Verteilung eine weitere große Herausforderung werden. Für die ersten 100 000 Dosen wurde ein Schlüssel streng nach Einwohnerzahl der 36 Staaten sowie der Hauptstadt Abuja vorgesehen. In Anbetracht der Tatsache, dass die zweite Welle derzeit besonders in Lagos, Abuja und wenigen weiteren Staaten grassiert, wurde dieser schablonenhafte Ansatz bereits in Frage gestellt. Die generelle Ineffizienz der Verwaltung und das kaum vorhanden Vertrauen der Bevölkerung in die Fähigkeit der Regierung, gefasste Pläne auch umzusetzen, dürfte den Erfolg der geplanten Impfkampagne jedenfalls erschweren.
Dieser Artikel erschien zuerst im IPG-Journal am 15. Januar.