Corona auf den Philippinen: Dutertes Politik der harten Hand geht weiter
Nach mittlerweile drei Monaten seit Auftauchen der ersten bestätigten Coronavirus-Fälle auf den Philippinen versuchen die Filipinos und Filipinas nun, sich auf ein von anhaltenden Quarantänemaßnahmen gekennzeichnetes „new normal” einzustellen. Am ersten Maiwochenende erreichte die Zahl offiziell bestätigter Infektionsfälle knapp die Marke von 9.000. Bislang mussten dabei 603 Todesfälle verzeichnet werden. Die Dunkelziffer liegt mit Sicherheit wesentlich höher, da nur unzureichend getestet wird.
Kritik: Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit
Als Antwort auf die Covid-19-Krise veranlasste Präsident Rodrigo Duterte Mitte März zunächst eine einmonatige „community quarantine” – im Prinzip ein weicher Lockdown – für die Region um die Hauptstadt Manila. Nach anfänglichen Umsetzungsschwierigkeiten und unklarer Informationslage wurde die Order schnell in eine striktere Quarantäne für die gesamte Hauptinsel Luzon ausgeweitet. Geschäfte, Märkte, die beliebten Shopping Malls und alle übrigen, nicht-essentiellen Einrichtungen wurden geschlossen. Die Aussetzung des öffentlichen Nahverkehrs sorgte im sonst von Dauerstau geplagten Manila für leere Straßen. Mittlerweile wurde der Lockdown bis zum 15. Mai verlängert und auf andere Teile des Landes ausgeweitet. Der reguläre nationale und internationale Flugverkehr wurde zumindest vorübergehend komplett eingestellt. Gleichzeitig findet in anderen Teilen des Landes zur Zeit eine erste Lockerung der Maßnahmen statt.
Zehn Tage nach Beginn des Lockdowns ließ sich Duterte von dem von seinen Unterstützer*innen kontrollierten Kongress ein Notstandsgesetz verabschieden, welches es dem Präsidenten unter anderem ermöglicht, bereits eingeplante Staatsausgaben auf diverse, durch die Corona-Krise notwendig gemachte, Unterstützungsprogramme umzulenken. Neben diesen, zumindest auf dem Papier lobenswerten, Maßnahmen beinhaltete die Befugnis allerdings auch eine Provision, laut derer die Verbreitung von „falschen Informationen” bestraft werden kann. Kritiker*innen sahen darin eine gefährliche Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit und einen erneuten Beweis für den einseitigen „Law and Order”-Ansatz der Duterte-Regierung. Es bleibt abzuwarten, ob die Befugnisse nach Ablaufen der angesetzten drei Monate tatsächlich zurückgenommen werden.
Gefängnisse überfüllt, 10.000 Häftlinge entlassen
Kritiker*innen sahen sich in ihren Befürchtungen bestätigt, als Duterte am 1. April in einer nationalen Ansprache verkündete, er hätte das Militär und die Polizei beordert, bei Problemen mit der Umsetzung des Lockdowns, Straftäter*innen zu erschießen. Solch martialische Äußerungen stellen die Reaktion der philippinischen Regierung auf die Coronavirus-Krise in einen direkten Zusammenhang mit Dutertes international kritisierten „Krieg gegen die Drogen,” bei welchem der Präsident ebenfalls auf eine eiserne Hand setzt. Die Probleme, die dieser Ansatz speziell in Zeiten des Coronavirus mit sich bringt, wurden unlängst durch das Auftreten von Covid-19-Fällen in den heillos überlaufenen Gefängnissen unterstrichen. Die Regierung sah sich als Folge gezwungen, fast 10 000 Häftlinge aus Platzgründen vorzeitig freizulassen.
Die Umsetzung der versprochenen Hilfsmaßnahmen durch die Regierung kommt zudem nur schleppend voran. Die Zahl der durchgeführten Tests ist weiterhin gering und es fehlt nach wie vor an Schutzausrüstung für das medizinische Personal. Nur circa ein Viertel der angekündigten Hilfszahlungen an 18 Millionen bedürftige Familien wurde bisher getätigt und das Arbeitsministerium stellte seine Hilfsleistungen für Arbeiternehmer*innen mangels finanzieller Ressourcen bis auf Weiteres ein. Die Pandemie stellt für einen großen Teil der Bevölkerung somit nicht nur eine gesundheitliche, sondern insbesondere auch eine ökonomische Bedrohung dar.
Hoffnung auf Gemeinschaftsgeist
Während regulär angestellte Arbeitnehmer*innen um das Fortbestehen ihrer Arbeitsplätze bangen, sind die Angehörigen des informellen Sektors bereits jetzt ohne Arbeit und auf Essensrationen, die von ihren Bezirksverwaltungen ausgegeben werden, oder Hilfsleistungen durch Verwandte, Freunde und NGOs angewiesen. Ob sich die philippinische Wirtschaft und damit die Lage der Menschen in den kommenden Monaten langsam wieder verbessern wird oder das ohnehin von weit verbreiteter Armut gekennzeichnete Land in eine Rezension abrutscht, bleibt abzuwarten. Man kann nur hoffen, dass der berühmte philippinische Gemeinschaftsgeist, genannt bayanihan, den Filipinos und Filipinas die notwendige Kraft zum Durchhalten verleiht.
Erschienen am 5. Mai im IPG-Journal