Cop23: Warum es beim Klimaschutz auf die SPD ankommt
Thomas Trutschel/photothek.net
Wir stehen an einem Scheidepunkt. Ein „Vielleicht“ oder „Ja, später“ ist nicht mehr möglich. Wer die sozialökologische Modernisierung fordert, von dem braucht es ein „Ja, jetzt“ auf die Fragen: Wollen wir das Land der Energiewende sein? Wollen wir beweisen, dass ein Industrieland sich klimafreundlich aufstellen kann? Denn ohne ein klares Ja und schnelle Taten fahren wir unsere eigenen Ziele gegen die Wand. Die langjährige Politik der Unentschlossenheit hat dazu geführt, dass wir bei einem Weiter-so das Klimaziel 2020 krachend verfehlen – nach derzeitigen Erkenntnissen um bis zu acht Prozentpunkte.
Klimaziele sind noch erreichbar
Auf internationalem Parkett würde Deutschland damit unsolidarisch handeln, unsere Glaubwürdigkeit wäre dahin. Selten war der Spagat so deutlich zu erkennen wie in diesen Tagen. Während die Parteien in Berlin einen Koalitionsvertrag sondieren, der über die klimapolitische Zukunft Deutschlands entscheidet, kommt die Welt zur UN-Klimakonferenz in Bonn zusammen, um über die Zukunft unserer Erde zu sprechen. Was dort versprochen wird, muss zuhause gehalten werden.
Die gute Nachricht: Noch ist es nicht zu spät. Deutschland kann seine Klimaziele für 2020 noch erreichen. Das wichtigste Instrument hierfür ist bekannt: Die ältesten und dreckigsten Kohlemeiler müssen bis 2020 vom Netz, die restlichen bis 2035. Wir müssen jetzt einen geordneten Kohleausstieg auf den Weg bringen, um ihn auch für Wirtschaft und Menschen verträglich gestalten zu können.
Beitrag zum Klimaschutzabkommen
Natürlich bedeutet Klimaschutz nicht nur Kohleausstieg. In allen Sektoren besteht dringender Handlungsbedarf. Der WWF hat jüngst vorgerechnet, mit welchen konkreten Maßnahmen Deutschland auch in den Sektoren Landwirtschaft, Verkehr und Gebäude das 2020-Ziel noch erreichen und damit seinen Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen leisten kann.
Doch nur mit der Stilllegung etwa der Hälfte der deutschen Kohlekraftwerkskapazitäten können wir so viel CO2 einsparen, wie nötig ist, um das Klimaschutzziel von minus 40 Prozent Treibhausgasausstoß bis 2020 zu erreichen. Diesen Schritt weiter hinauszuzögern, würde suggerieren, Kohle habe Zukunft. Dabei reicht ein Blick über unsere Grenzen: Die Welt kehrt zunehmend von der Kohle ab. Einige europäische Nachbarn wie die Niederlande, Italien und Großbritannien haben ihren Rückzug aus der Kohleverstromung bereits angekündigt. Kohle wird immer klarer zum Energieträger der Vergangenheit. Eine Politik der Weitsicht, die Menschen langfristig Perspektiven geben will, bereitet jetzt den Weg für eine kohlefreie Zukunft.
Veralteter Energieträger
Denn die Energiewende bedeutet nichts anderes, als Klimaschutz mit dem Wohlergehen der Wirtschaft und der Menschen zu vereinen. Dafür wird es auch auf die Sozialdemokratie ankommen – selbst wenn die SPD in den kommenden vier Jahren nicht Regierungspartei sein wird. Als Opposition im Bund, aber auch als beteiligte Regierungspartei in mehreren Ländern, vor allem in einem der „Braunkohleländer“, steht sie in der Pflicht, endlich die Bremsen zu lockern.
An einem veralteten Energieträger festzuhalten, wird den betroffenen Regionen in Deutschland nicht weiterhelfen. Was es stattdessen braucht, sind neue Konzepte und Investitionen für den nötigen Strukturwandel. Die Lausitz soll nicht Braunkohlerevier bleiben, sondern eine vielfältigere und zukunftsgerichtete Wirtschaftsstruktur entwickeln.
Protektionismus schützt nicht
Der Blick über die Landesgrenzen zeigt: Andere Länder gehen voran, sei es beim Ausbau der Erneuerbaren Energien oder einem Push für neue Mobilitätskonzepte. Wir laufen Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Damit riskiert Deutschland eben jene industriellen Arbeitsplätze, die es erhalten will. Doch mit falsch verstandenem Protektionismus kann Deutschland nichts bewahren, sondern verbaut Unternehmen sowie deren Beschäftigen und Familien die Zukunft.
Es gilt die Zeichen der Zeit erkennen und gemeinsam Konzepte für den klimafreundlichen Umbau unserer Gesellschaft und Wirtschaft zu entwickeln und umzusetzen. Dafür braucht es auch und gerade die Sozialdemokratie: Für soziale Gerechtigkeit und die sozialökologische Modernisierung einzutreten, muss ernst gemeinten Klimaschutz beinhalten, der Deutschland zukunftsfähig macht.
WWF/Robert Günther
ist Mitglied der Geschäftsleitung des WWF Deutschland und Leiter der Abteilung Ökologischer Fußabdruck.