Clinton oder Trump: Wer Ohio holt, gewinnt die Wahl
Ohio picks the president! Also los geht´s im wichtigsten Swing State der USA. Denn wer Ohio holt, gewinnt die Wahl. Bei 28 von 30 US-Präsidentschaftswahlen war dies der Fall. Kaum ein Bundesstaat ist so vielfältig in seiner Wählerstruktur und vergleichbar mit dem Rest des Landes. Kaum ein Bundesstaat ist so knapp in den Umfragen. CNN sah Trump vor zwei Wochen vier Prozentpunkte vorne, doch einer der demokratischen Wahlkampfleiter in Ohio ist entspannt. „Wenn Afroamerikaner, Frauen und besser Gebildete wählen gehen, gewinnen wir den Staat.“
Clintons „Stronger together“ zeigt ein buntes Land
Clinton und Trump haben grundsätzlich verschiedene Zukunftsvorstellungen vom Land. „Stronger together“ gegen „Make America great again“. Das offene Amerika gegen das geschlossene. Wer sind aber die Menschen, die die Kandidaten unterstützen? Nirgends zeigt sich das besser als bei den Kundgebungen der Kandidaten.
Freitagnachmittag stehen Tobias und ich daher vor einer Turnhalle in Cleveland. Hier soll Hillary Clinton sprechen? Die wahrscheinlich angehende Präsidentin und dann mächtigste Politikerin der Welt? Keine Schilder oder Riesenposter. Nur ein Zeichen der Uni in Richtung „Special Event“. Ich hatte mir alles mit viel Sicherheit, mehr Tamtam und Blinkblink vorgestellt, Lichtshow, Tausende Menschen – irgendwie nicht. Dafür wirkt alles sympathisch bunt. Es gibt bunte Banner an den Wänden. Bunte selbst gemalte Schilder. Bunte Menschen.
Demokraten setzen auf Vielfalt und Zusammenhalt
Dann geht’s los. „Hey, ich bin Charlie und einer der lokalen Organiser. Ich arbeite für Hillary in der Kampagne, da ich vor allem eins für unser Land will: Zusammenhalt! Also geht wählen, damit es Realität wird!“ Als er von der Bühne geht, liegt er seinem Team in den Armen. Einer von ihnen hat die Veranstaltung eröffnet. Motivation und Teambuilding aus dem Lehrbuch. Weiter geht’s mit dem Warm-Up für Hillary. „Wen wählt ihr, wenn ihr eine gute Krankenversicherung wollt? Wen wählt ihr, wenn euch Religionsfreiheit wichtig ist? Wen wählt ihr, wenn ihr für die Ehe für alle seid?“ „Hillary“ schallt es als Antwort des Publikums durch den Raum.
Und dann tritt sie auf die Bühne. Laute Musik. Riesiger Applaus. Volle Handy-Speicherkarten nach kurzer Zeit. Hillary Clinton spricht darüber, dass öffentliche Unis ohne Studiengebühren sein sollten. Dass Frauen endlich das gleiche Geld verdienen müssen wie Männer. Dass Investitionen dringend notwendig sind im Land. Die Themen sind vielfältig, daher ist ihre Botschaft auch nicht so eindringlich wie die von Trump.
Es geht um das politische Erbe Obamas
Zusammen sind wir stärker – ihre Unterstützer verstehen das. Es sind junge und alte Menschen, Schwarze, Latinos und Weiße, manche tragen LGBT- oder pinke Feministen-Buttons, andere kommen im Anzug oder mit Gewerkschaftsshirt. Sie selbst wird oft dafür kritisiert, dass sie zum politischen Establishment, zu denen da oben zählt. Doch hier in der Halle ist sie Teil einer Bewegung, die mehr ist als nur eine Kandidatur. Es geht um das politische Erbe von Obama und um die liberalen Grundwerte eines Landes.
Nur einen Tag später ist auch Trump in Cleveland. Die Veranstaltung ist größer, dunkler, aber sehr professionell. Doch vor allem die Zuschauer zeigen: Willkommen in einer anderen Welt. Alle sind eher homogen, weiß, die alte Arbeiterklasse. Vor allem die „Make America great again“-Mütze scheint wie ein Erkennungszeichen für alle zu sein. Ich zähle nur fünf schwarze Menschen unter Tausenden. Alle sind Christen – das hat Trump später auf der Bühne abgefragt. Sie repräsentieren ein anderes Amerika. Arbeiter, die früher Industriejobs hatten oder im Kohlebergbau gearbeitet haben. Jobs, die es in Ohio oft nicht mehr gibt. Viele wollen daher die alten Zeiten zurück – und Trump verspricht ihnen das.
Trump setzt auf Gott und den Hass
Die 70er Rocksongs in der Messehalle steigern dieses Gefühl von „Good old times“. Die Luft wirkt stickig. Als ob gleich eine Kneipenschlägerei losbricht. Und dann geht´s los, mit einem Gebet. „Lieber Gott, bitte beschütze uns auch vor dem Iran-Deal“ – ah ja! Es geht weiter mit der Nationalhymne und der „Pledge on Allegiance“, dem Treueschwur auf die Vereinigten Staaten und die Flagge – alle nehmen die Mützen ab. Zum Abschluss noch ein lautes „God bless America“-Lied und die Zuschauer sind patriotisch genug für die Reden.
Der ehemalige Bürgermeister von New York, Rudy Giuliani, tritt ans Mikro. Danach spricht der Vizepräsidentschaftskandidat Mike Pence. Und dann er: Donald John Trump, 70 Jahre, republikanischer Kandidat für das Präsidentenamt, Unternehmer und Realityshow-Star. Die Menge tobt. Was er auf der Bühne sagt, haben wir alle schon mal gehört. Es geht um die angebliche Flüchtlingsschwemme aus dem Nahen Osten. Um Illegale im Land, die Arbeitsplätze wegnehmen. Um manipulierte Wahlen und die Lügenpresse. Das alles ist bekannt.
Eine starke, schlimme Truppe hinter Trump
Neu ist für mich das Publikum, das ihm zujubelt. Die Zuschauer schreien ohne Pause „Sperr sie Hillary ein!“ Einer der schlimmsten Ohrwürmer, die man haben kann. Die meisten tragen passend dazu „Hillary for Prison“-Shirts. Es scheint in der Veranstaltung darum zu gehen, so viele laute Buhs wie möglich über den Gegner loszuwerden. Nicht nur über den politischen Gegner, sondern auch bei „den Anderen“.
Es entwickelt sich ein regelrechter Hooligan-Mob, als es um Immigranten geht. „Wir wollen die Mauer“ skandieren circa 3.500 Leute. Man merkt eine erschreckende Sache: Die roten Mützen sind eine wirklich starke Truppe. Und sie sind schlimmer als Trump. Er hat oft die richtigen Probleme im Land benannt, doch die falschen Antworten gegeben und dadurch eine Bewegung aus Rache und Kompromisslosigkeit geschaffen.
Zwei unterschiedliche Gruppen von Wählern, zwei verschiedene Tage, aber eine Stadt. Swing State hautnah. Ohio entscheidet über die Zukunft des Landes. Hoffen wir, dass das bunte Amerika gewinnt.
leitet das Büro des stellv. Parteivorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel im Willy-Brandt-Haus.