CIA-Folter empört kaum jemanden
Seit US-Senatorin Dianne Feinstein in der vergangenen Woche ihren Bericht zur Folterpraxis der CIA nach dem 11. September 2001 veröffentlicht hat, wird endlich ein dunkles Kapitel aus den Jahren der totalen Terrorbekämpfung unter Präsident George W. Bush offen thematisiert. Wie fast immer in den vergangenen Jahren gehen allerdings die Meinungen des politischen Washington dazu sehr weit auseinander. Nur wenige Politiker bekennen sich zu den sogenannten „Befragungstechniken“, die meisten verurteilen Folter, viele versehen ihre Statements allerdings mit einer Menge Hintertüren, durch die man bei zukünftigem Bedarf schlüpfen könnte.
Republikaner kritisieren Bericht der Demokraten
Von wenigen Ausnahmen abgesehen verläuft die Diskussion mal wieder entlang der alten Schützengräben, in denen Demokraten und Republikaner nun schon seit Jahren feststecken, statt der nationalen Selbstreflexion einen Moment der Besinnung zu gönnen. Die Republikaner behalten ihre Kernwähler im Auge, welche die CIA breit unterstützen, sich wenig für Details interessieren und Folter an Terroristen für tolerierbar halten. Aus der Sicht der Republikaner könnten die Befragungen Terrorakte verhindert haben und deshalb gerechtfertigt sein. Der Zweck heiligt die Mittel. Sie behaupten, dass die Veröffentlichung des Berichts US-Amerikaner vor allem im Ausland in Gefahr bringe und der Propaganda der Anti-Amerikanisten in aller Welt in die Hände spiele. Es wird dabei mal wieder Ursache und Wirkung vertauscht, denn nicht der Bericht, sondern die grausamen Taten selbst sind Futter für die Gegner der USA. Indem die republikanischen Senatoren und deren Mitarbeiter sich frühzeitig aus diesem Aufarbeitungsprojekt verabschiedet haben, können sie den Bericht als politisch einseitig verurteilen. Selbstverständlich sehen das die Demokraten ganz anders. Für sie ist dieser Bericht objektiv und soll Folter für alle Zeiten aus dem Repertoire der USA verbannen. Kritik an der Qualität des Berichts wird scharf zurückgewiesen, die Bush-Administration wird für ihre damaligen Handlungen hart kritisiert.
Es gibt nur wenige Grenzgänger zwischen diesen Blöcken, der Prominenteste ist der republikanische Senator John McCain, den seine persönliche Erfahrung mit Folter während seiner Kriegsgefangenschaft in Vietnam zu einem scharfen Kritiker der Praktiken der CIA gemacht hat. In der Hoffnung auf mehr Sicherheit wurde zu viel aufgegeben, so McCain. Präsident Barack Obama äußert sich als Demokrat und Oberbefehlshaber recht vorsichtig und wehrt sich derzeit, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Obwohl er der Veröffentlichung des Berichts zugestimmt hat, wird er von den Demokraten für die Unterstützung der CIA und ihres Chefs John O. Brennan kritisiert. Der CIA wiederum wird vorgeworfen, zu lügen und die Ineffizienz der Foltermethoden nicht zugeben zu wollen. Deren Spitze behauptet dagegen kryptisch, dass der Nutzen der angewandten Folter jenseits menschlicher Erkenntnis läge („it is unknowable“), ohne jegliche Beweise dafür zu liefern.
Präsidentschaftskandidaten in der Zwickmühle
Für mögliche Präsidentschaftskandidaten ist die Veröffentlichung ein besonders schwieriges Thema. Kandidaten wollen keinesfalls als Befürworter von Folter dastehen, aber für Republikaner ist ein hartes Profil im Umgang mit Terroristen ebenso wichtig. Deren wichtigste Kandidaten äußern sich derzeit eher vage. So hat weder Jeb Bush bisher Stellung bezogen noch Chris Christie, der 2002 als Generalbundesanwalt von New Jersey Folter verurteilt hatte. Für Jeb Bush ist es schwierig, gegen Maßnahmen seines Bruders George W. Bush öffentlich Stellung zu beziehen. Deswegen hat er es bisher bei einer Rede für eine stärkere US-Außenpolitik belassen. Der Republikaner Marco Rubio hat zwar die Veröffentlichung kritisiert, aber auch die Folter. Die Veröffentlichung habe man falsch angegangen, sei unfair und gefährde das Leben von US-Amerikanern. Auch Rand Paul ist in einer schwierigen Lage, da er eher liberal und gegen Folter ist, aber gleichzeitig die republikanische Basis nicht verärgern will.
Hillary Clinton hingegen will als starke und sicherheitsorientierte Kandidatin wahrgenommen werden, ohne die Liberalen in der Partei zu verprellen, die Folter scharf verurteilen. Zwar hatte sie die Veröffentlichung unterstützt, sich aber gegen die Verurteilung von Befehlsempfängern ausgesprochen. Dadurch ergibt sich die Chance eine Position links von ihr anzunehmen, was Martin O'Malley, demokratischer Gouverneur von Maryland, sofort gemacht hat. Er fordert eine Untersuchung und will die Verantwortlichen belangen.
Westliche Beziehungen sind gestört
In einigen Nato-Staaten wie Polen und Rumänien hat die CIA geheime Foltercamps eingerichtet. Es bleibt zu klären, wie viel die einzelnen Regierungen wussten oder wissen wollten. Selbstverständlich aber sind die Beziehungen zu den westlichen Partnern belastet, ohne dass man allerdings mit stärkeren Reaktionen rechnen sollte. Außer der öffentlichen Verurteilung von Folter wird es wohl keine weiteren Schritte der Partner geben. Das Bild von den USA in der Welt, insbesondere der arabischen Welt, hat sich dadurch weiter verschlechtert. Das wird auch in den USA erkannt. Senator Ted Cruz aus Texas zum Beispiel hat die Veröffentlichung auch deshalb kritisiert, weil sie westliche Freunde und Partner verstöre und verärgere – ein allgemeiner Kritikpunkt der Republikaner. Senatorin Feinstein pariert mit einem Blick in die Zukunft: Sie argumentiert, dass im Rückblick die USA daran gemessen werden, wie sie mit ihrem eigenen Versagen umgehen.
Was denkt der US-Amerikaner auf der Straße?
Umfragen und Studien zur Befürwortung oder Ablehnung der Folter ergeben ein sehr uneinheitliches Bild. Das Trauma des 11. September 2001 hat die öffentliche Wahrnehmung wohl eher in Richtung der Hardliner verschoben. Die schrille Rhetorik der Politik mit täglichen Bedrohungsszenarien spielte dabei ebenso eine Rolle wie die Film- und Fernsehbilder Hollywoods. So hat sich die Darstellung von Folterszenen nach dem 11. September in der Primetime versechsfacht. Viele Bürger befürworten in Umfragen Folter als legitimes Instrument in einer unmittelbaren Gefahrensituation. Selbst die furchtbaren Bilder aus dem Gefängnis Abu Ghraib und die Darstellungen der Foltermethoden haben keinen Umschwung der Meinung zur Folge gehabt.
Dass damit die Werte, für die US-Amerikaner im Ausland ihr Leben riskieren, konterkariert werden, spielt im Diskurs außerhalb Washingtons kaum eine Rolle. Internationale Menschenrechtsprinzipien, die Verfassung der Vereinigten Staaten sowie anerkannte ethische Standards sind verletzt worden und trotzdem ist der Aufschrei im Land überschaubar. Ob die Veröffentlichung des Berichts solche Praktiken für die Zukunft tatsächlich kategorisch verhindert, ist daher schwer zu sagen. Auch der von Präsident Obama 2009 verabschiedete Erlass gegen Folter kann durch einen neuen Präsidenten zurückgezogen werden.
Die hektische Politik-Zirkus Washington hat sich bereits neue Attraktionen gesucht. Die politischen Kommentatoren feiern die Verabschiedung eines Haushalts, die US-Amerikaner freuen sich auf Weihnachten, Themen wie Folter stören da eher.
ist seit 2014 Landesvertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Washington D. C.