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Chancen auf neue Einigkeit?

von Jérôme Cholet · 12. März 2009
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Der Spalt zwischen den wichtigsten Palästinenser-Gruppen - der Fatah und der Hamas - ist riesig. Die Fatah regiert im Westjordanland und erkennt das Existenzrecht Israels an, die Hamas hingegen kontrolliert den Gaza-Streifen und behält sich ein Recht auf Gewalt gegen Israel vor. Die Hamas ist international isoliert, ihre Heimat liegt nach der israelischen Offensive in Schutt und Asche, auf die Wahlerfolge von 2006 kann sie nur noch schlecht verweisen. Und auch die Präsidentschaft von Fatah-Führer Mahmud Abbas ist abgelaufen, zwar ist die von ihm geführte Palästinensische Autonomiebehörde international anerkannt, jedoch hat ihre Legitimität gelitten.

Und während die Gegensätze nicht größer sein könnten, leidet die palästinensische Bevölkerung im Gaza-Streifen an Zerstörung und Elend, im Westjordanland drohen neue Siedlungsbauten den Lebensraum weiter einzuschränken. Der Rechtsruck bei den Wahlen in Israel hat den Hardliner Benjamin Netanjahu mit der ersten Regierungsbildung beauftragt. Die Herausforderungen sind groß, Eile ist geboten.

Große Herausforderungen an eine Einheitsregeirung"

Jeder Tag, der vorübergeht ohne ein Weg aus dem Elend zu zeigen, bedeutet mehr Schwierigkeiten für die Zukunft," so John Ging, Sprecher der Vereinten Nationen, "die Menschen schauen auf die internationale Gemeinschaft, Israel und natürlich ihre eigenen Politiker um jedwede Mittel zu ergreifen, ihnen ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Im Moment werden sie von allen bitter enttäuscht. Das muss sich endlich ändern."

Im November hatte Ägypten die Initiative ergriffen, zwischen Fatah und Hamas zu vermitteln. Doch die Hamas lehnte Gespräche ab, weil sie Festnahmen ihrer Anhängern im Westjordanland beanstandete. "Dieser Spalt lähmt sämtliche Aspekte unseres Lebens, sozial, verwaltungstechnisch und politisch," so Raji Sourani, Vorsitzender des Palästinensischen Menschenrechtszentrums. "Für das Überleben unserer Menschen brauchen wir Einigkeit. Wenn die palästinensischen Führer also nur einen Hauch von Verantwortung verspüren, dann sollten sie reagieren - oder wir werden sie für immer verjagen." Neben Sourani machen auch andere Organisationen Druck, es geht es dabei nicht nur um die technischen Details, sondern vor allem um ein Zeichen der Hoffnung.

Am vergangenen Sonntag nun gab der Premierminister der Palästinensischen Autonomiebehörde, Salam Fayyad, sein Amt auf, um den Weg für eine Einheitsregierung zu ebnen. Beide Seiten geben sich erstmals dialogbereit, Hamas und Fatah wollen bis Ende März eine Einheitsregierung bilden und im kommenden Jahr Neuwahlen durchführen.

Vier Milliarden Dollar für Anerkennen Israels

Die internationale Gemeinschaft hat den Palästinensern unterdessen mehr als vier Milliarden Dollar Wiederaufbauhilfe für den Gaza-Streifen zugesagt, jedoch nur unter der Voraussetzung, die Hamas erkenne das Existenzrecht Israels endlich an. Zudem gelten weiterhin die Bedingungen des Nahost-Quartetts, also Gewaltverzicht und die Akzeptanz bestehender Friedensverträge. Insgesamt treffen sich dreizehn palästinensische Organisationen, die nur teilweise zur PLO gehören, und die Arabische Liga zu den Verhandlungen.

Dabei soll die Hamas wieder in die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) eingebunden werden, die von Seiten Israels und der internationalen Gemeinschaft als einzig legitime Vertretung der Palästinenser anerkannt wird. Hamas-Führer Ismail Haniyes, der den bürgerlich-gemäßigten Flügel vertritt, hatte bereits Zugeständnisse angedeutet. Die Chance mit der Einbindung der Hamas auch eine Befriedung zu erreichen ist gegeben. Doch muss sich auch Palästinenser-Präsident Abbas pragmatisch zeigen. Obwohl seine Amtszeit am 9. Januar abgelaufen ist, erhebt er weiterhin Anspruch auf die Regierungsführung.

Details einer gemeinsamen Regierung

Beide Seiten haben erst einmal zahlreiche politische Gefangene ausgetauscht, die polarisierenden Stellungnahmen zur israelischen Offensive im Gaza-Streifen wurden eingestellt. Eine von fünf Arbeitsgruppen soll nun in Kairo erörtern, wie die Sicherheitsdienste der beiden Fraktionen zusammengelegt werden können, die sich seit 2006 heftige Kämpfe geleistet hatten und zu einer Vertreibung der Fatah aus dem Gaza-Streifen führten. Darüber hinaus soll die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) als Dachorganisation aller Palästinenser revitalisiert werden. Weitere Arbeitsgruppen besprechen die Details einer gemeinsamen Regierung und von Neuwahlen.

Die palästinensische Bevölkerung steht laut Umfragen des Jerusalem Media and Communication Centre eher hinter Hamas-Führer Ismail Haniyeh, der mit 20 Prozent der Stimmen als glaubwürdigster Politiker gilt. Präsident Abbas liegt nur bei 13,4 Prozent. Bei Wahlen würde die Hamas jedoch etwa 28,6 Prozent der Stimmen erhalten und liegt damit ähnlich wie die Fatah mit 27,9 Prozent. Eine Einheitsregierung scheint also der gewünschte Weg bei der Bevölkerung zu sein.

Aufgrund der politischen Unterschiede wäre eine Regierung aus Technokraten am ratsamsten, dabei müssen beide Gruppen Regierungsgewalt abgeben und die Kontrolle der Hilfsgelder überwachen. Weder die in der Vergangenheit von Korruption gebeutelte Fatah, noch die durch Waffenkäufe hervorgetretene Hamas dürfen die dringend benötigte Hilfe veruntreuen. Die internationale Gemeinschaft hat sich außerordentlich dialog- und hilfsbereit gezeigt, nun müssen die Palästinenser diese Chance nutzen. "Der Wiederaufbau ist sehr wichtig, um den Menschen im Gaza-Streifen wieder auf die Beine zu helfen," so Jakob Kellenberger vom Internationalen Komitee des Roten Kreuz, "jedoch hat er wenig Aussicht auf Erfolg, solange es keine Chance zu einem dauerhaften Frieden gibt."


Jérôme Cholet
arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten. Themen sind Wahlen, Armut und Entwicklung.

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arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten.

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