Kämpfer fühlen sich bei Friedenskonferenz von Exilopposition nicht repräsentiert. Die Gegner Assads sind in feindliche Gruppen zersplittert.
Eigentlich wollten sie gar nicht nach Montreux fahren und sich mit Vertretern des Assad-Regimes an einen Tisch setzen. Die Delegation der Syrischen Nationalkoalition. Tagelang hatten sie in Istanbul diskutiert. Als aber Geldgeber Saudi Arabien und die Großmacht USA den Druck erhöhten, entschieden sie am vergangenen Samstag, doch in die Schweiz zu reisen. Denn die beiden Paten der Nationalen Koalition hatten gedroht, den Geldhahn zuzudrehen. Das saudi-arabische Königreich ist nämlich der wichtigste Finanzier dieser auch vom Westen anerkannten gemäßigten Exilopposition.
Im November 2012 hatten sich die syrischen Moslembrüder, säkulare Gruppen und Einzelpersonen der Opposition gegen Assad wie der alt gediente Michel Kilo zur Syrischen Nationalkoalition zusammengeschlossen, um mit einer Stimme sprechen zu können. Doch endlose Debatten, Streitereien und sicherlich auch Hahnenkämpfe sind immer noch an der Tagesordnung zwischen diesen in der Türkei ansässigen Assad-Gegner. Auch verschoben sie ihre Reisepläne immer wieder, weil die in Syrien kämpfenden Milizen ihnen Verrat an der Revolution vorwerfen.
Exilopposition ohne Basis in Syrien
Dort nämlich hat diese Exilopposition einen schweren Stand. „Diese Opposition in Nadelstreifen veranstaltet teure Konferenzen in teuren Hotels“, hört man in den umkämpften Gebieten immer wieder: „Die tun nichts für uns.“ Diese Vorwürfe kommen nicht zu unrecht. Schon im vergangenen Jahr hatte der in Beirut lebende Politikwissenschaftler Yezid Sayigh die Effizienz der Syrischen Nationalkoalition untersucht. „Sie repräsentiert mehr als dass sie führt“, schreibt er in dem Gutachten im Auftrag der Carnegie Stiftung. Ihr sei es bislang nicht gelungen, eine Basis in Syrien aufzubauen, daher sei ihr Einfluss auf das Geschehen im Land gering.
Dort dominieren inzwischen die Al Kaida nahen Dschihadisten wie Nusra-Front und ISIS, außerdem Islamisten, die sich im vergangenen Herbst in der von Golfstaaten gesponserten „Islamischen Front“ zusammengeschlossen haben. 70 000 Kämpfer will die Front in ihren Reihen haben. Nachprüfen lassen sich solche Angaben nicht. Alle diese Kampfverbände träumen von einem Syrien, in dem die Scharia gilt.
Milizen bekriegen sich gegenseitig
Der grausamste dieser Milizen, die ISIS (Islamischer Staat im Irak und in Syrien) kämpft sogar für ein grenzüberschreitendes Kalifat und ist an den Kämpfen gegen die schiitische Regierung im Irak beteiligt. Die meisten ihrer Kämpfer sind ausländische Dschihadisten aus dem Kaukasus, arabischen Ländern oder Afrika. Auch Deutsche sollen in ihren Reihen kämpfen. Erst kürzlich soll ein 19jähriger Konvertit aus Bayern, der sich ihnen angeschlossen hatte, bei Gefechten in Aleppo ums Leben gekommen sein. ISIS schreckt vor Massenhinrichtungen nicht zurück und ist verantwortlich für Entführungen und Anschläge gegen andere Oppositionsgruppen.
Als sie Anfang Januar versuchte, die vollständige Kontrolle im Rebellengebiet an sich zu reißen, vertrieben Kämpfer der ‚Islamischen Front’ sie in blutigen Gefechten aus Städten wie Aleppo. Doch nur tagsüber. „Nachts kommen sie wieder und morden“, berichtete dieser Tage ein Arzt aus Aleppo dem Südwestfunk. Der Krieg zwischen Oppositionsmilizen mitten im Bürgerkrieg hat also schon längst begonnen. Und Assad lehnt sich in seinem Präsidentenpalast in Damaskus zurück und reibt sich die Hände.
Demokratische und liberale Kräfte gehen im Lärm des Krieges unter
Die älteste der Milizen, die schon 2011 gegründete Freie Syrische Armee, scheint kaum noch eine Rolle zu spielen im syrischen Bürgerkrieg. Erst in der vergangenen Woche mussten sich 50 Kämpfer dieser gemäßigten Miliz in die Türkei retten, weil die Terrortruppe ISIS hinter ihnen her war. Im Dezember hatten die FSA-Kämpfer nicht verhindern können, dass die Miliz ‚Islamische Front’ ihnen sogar ein ganzes Militärdepot mit Ausrüstung aus dem Westen abnahm.
Still ist es um jene Opposition geworden, die vor drei Jahren mit friedlichen Demonstrationen die Protestbewegung gegen Assad auslöste. Es gibt sie noch, aber im Lärm des Krieges in Syrien geht ihre Stimme unter, dabei sind diese Assad-Gegner eine der wenigen, die noch so etwas wie ein säkulares, demokratisches Syrien im Kopf haben.
Keine dieser Gruppen billigt die Reise der syrischen Delegation in die Schweiz. „An Beschlüsse sind wie nicht gebunden“, verkündeten Sprecher der Islamisten vor der Konferenz. Daher wird es der Koalition schwer fallen, Genfer Beschlüsse durchzusetzen. Aber mit so etwas ist ohnehin nicht zu rechnen.