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Bundeswehr in Mali: Wie weiter gegen den islamistischen Terror?

Die Bundewehr ist mit über 30 Nationen in Mali am gefährlichsten UN-Einsatz mit den meisten Toten beteiligt. Das Ziel: Kampf gegen den islamistischen Terror. Die Stiftung Wissenschaft und Politik sieht eine völlige Wirkungslosigkeit der UN-Mission.
von Kay Walter · 2. Juni 2021
Mali: Militäreinheiten des neuen Präsidenten Assimi Goita beherrschen das Stadtbild, hier am Flughafen der Hauptstadt Bamako am 31. Mai 2021.
Mali: Militäreinheiten des neuen Präsidenten Assimi Goita beherrschen das Stadtbild, hier am Flughafen der Hauptstadt Bamako am 31. Mai 2021.

Der zweite Putsch in nur neun Monaten stürzt Mali endgültig ins Chaos. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS hat Mali suspendiert - Frankreichs Präsident Macron droht mit dem Abzug seiner Truppen. Auch die soeben verlängerten und ausgeweiteten deutschen Missionen stehen damit in Frage.

Mit dem Rückzug der NATO aus Afghanistan wird der Einsatz in Mali – MINUSMA im Rahmen der UN plus und die europäische Trainingsmission EUTM – mit insgesamt 1.800 Soldaten zum größten Auslandseinsatz der Bundeswehr. Zweck ist laut Bundesregierung „die politische Stabilisierung Malis und die Bekämpfung des Terrorismus in der gesamten Sahel-Region“. Deutsche Soldaten sind in Mali ausdrücklich nicht an Kampfhandlungen beteiligt.  

Malis Militär geht es um Macht

Allein: Wo ist die politische Stabilisierung, wenn derselbe Oberst in nicht einmal einem Jahr zwei Mal erfolgreich gegen die eigene Regierung putscht? Warum bildet die Bundeswehr Militärs aus, wenn dieses offenbar lieber die eigene Regierung beseitigt, statt islamistische Terroristen zu bekämpfen?

Schon im August 2020 hatte das malische Militär unter Oberst Assimi Goita geputscht und den 2012 und 2018 gewählten Präsidenten Ibrahim Boubacar Keita gestürzt. Keita, dessen Partei Vollmitglied der Sozialistischen Internationale ist, war im Kampf gegen dschihadistische Gruppen nicht sonderlich erfolgreich. Nur mit massiver Hilfe französischer Truppen konnte in den Jahren 2013 ein Marsch mit dem IS und Al-Quaida verbündeter Terrorgruppen auf die Hauptstadt Bamako überhaupt gestoppt und zurückgedrängt werden.

Ein Land in der Krise

Im Land gärte es weiter: wirtschaftliche Not, Gewalt auf den Straßen, alltägliche Korruption. Mit dieser Begründung stürzte Oberst Goita im August die gewählte Regierung Keita und setzte Bah N‘Daw als Übergangspräsident und Moctar Ouane als Ministerpräsident ein.

Der nämliche Oberst Goita putschte nun unter dem Vorwand die Sicherheitslage im Land habe sich weiterhin nicht verbessert erneut, ließ die selbsteingesetzte Regierung verhaften und dieses Mal sich selbst vom Verfassungsgericht zum Präsidenten erklären. Statt Terroristen im Norden des Landes in der riesigen Grenzregion zu Mauretanien, Algerien und Niger zu bekämpfen, drängen sich hochrangige Militärs in der Hauptstadt Bamako um Pfründe, Einfluss und Macht.

Was soll der Einsatz der Bundeswehr?

Unstrittig ist der gesamte Sahel-Gürtel politisch hochgradig instabil und, weil kaum kontrollierbar, Rückzugs- und Aufmarschgebiet zahlreicher islamistischer Terrorzellen. Ebenso unstrittig ist das malische Militär diesen Milizen nicht ansatzweise gewachsen. Schlecht ausgebildet und ausgerüstet laufen die Soldaten vor Gefechten weg oder gleich über. An der Notwendigkeit einer Ausbildungs- und Hilfsmission besteht also wenig Zweifel. Die Frage ist, mit welchem Ziel?

Über 30 Nationen sind an diesem gefährlichsten UN-Einsatz mit den meisten Gefallenen beteiligt. Die realen Kampfeinsätze - und davon gibt es nicht wenige – bestreiten wie schon 2013 vor allem französische Elite-Soldaten im Rahmen der sogenannten Opération Barkhane. Der deutsche Anteil beschränkt sich auf Aufklärung, Ausbildung und Ertüchtigung. Aber der Erfolg tendiert gegen Null. Die Stiftung Wissenschaft und Politik konstatiert in ihrer jüngsten Studie völlige Wirkungslosigkeit.

Ohne Strategie, ohne Ziel

Kein Wunder. Es gibt weder eine Strategie noch ein Ziel, außer Terroristen zurückzudrängen. Und das wird auf Dauer nur gelingen können, wenn Mali und die anderen Staaten des Sahel sich selbst verantwortlich fühlen.

In der gesamten Region Südsahara sind islamistische Gruppen stark, einheimische wie „zugewanderte“ Söldnertruppen. Es gibt relativ wenig Menschen, aber viel Armut. Vor allem gibt es weder klar erkennbare Grenzverläufe, noch staatliche Strukturen und Machtbasen, die die Milizen ernsthaft behinderten. Das zu ändern wäre sehr aufwendig, sehr gefährlich und sehr teuer. Die größtenteils in Europa gut ausgebildete einheimische Elite Malis lebt lieber in der Großstadt, als sich der Gefahr auszusetzen. „Ertüchtigung und Selbstbefähigung“ - wie es vor allem die Bundesrepublik als aller Ehren wertes Ziel propagiert – setzte voraus, dass es nennenswerte demokratische Strukturen gäbe, bei deren Ausbau man unterstützen könnte. Dem ist nicht so.

Zeit für eine ehrliche Bestandsaufnahme

Es gilt, sich ehrlich zu machen. Soldaten mit einem reinen Ausbildungsauftrag können das Problem nicht lösen: Bestenfalls ernten sie (zu Hause) ungerechtfertigte Kritik für mangelnden Erfolg. Schlechtesten falls bilden sie in Mali die nächste Generation Putschisten aus.

Entweder bekennt man sich zu der machtpolitischen Option, islamistische Terrorgruppen mit aller Härte und Macht zu bekämpfen – auch um mittelbar die chinesische Einflussnahme in der Region zu unterbinden –  oder aber man zieht ab.

Bundeswehr kann sich nicht selbst schützen

Präsident Macron hat vergangenen Sonntag ausdrücklich betont, Frankreich werde seine Truppen sofort aus Mali abziehen, wenn die Putschisten nicht schnell demokratische Wahlen ankündigten oder sich gar in Richtung „radikaler Islamismus orientierten“.

Was auch immer in Deutschland diskutiert wird, ohne den Schutz der Franzosen und der einzig wirklich kampffähigen Truppe in Mali, kann die Bundeswehr nicht in Mali bleiben. Sicher nicht mit dem bisherigen Auftrag. Ein weiterer Beleg, wie notwendig eine bessere europäische Zusammenarbeit auch im Militärischen ist.

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Kay Walter

ist freiberuflicher Journalist in Paris.

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