Bundesverfassungsgericht: Ceta nur mit Auflagen
Deutschland kann nächste Woche dem EU-Handelsabkommen mit Kanada (Ceta) zustimmen. Das Bundesverfassungsgericht lehnte am Donnerstag den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Ceta soll Zölle und andere Handelshemmnisse zwischen der EU und Kanada beseitigen. Aus Sicht von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ist es ein Modellabkommen für die soziale und ökologische Gestaltung der Globalisierung. Ceta-Gegner glauben jedoch, dass hier Investoren Vorrang vor demokratischen Parlamenten erhalten.
Ceta kann vorläufig angewandt werden
Am kommenden Dienstag soll der EU-Ministerrat dem Abkommen zustimmen. Zugleich soll er beschließen, dass weite Teile von Ceta schon vor Zustimmung der nationalen Parlamente vorläufig angewandt werden könnnen. Mehrere Klägergruppen, unter anderem Linke-Abgeordnete und die Organisation Foodwatch, versuchten, dies mit Hilfe des
Bundesverfassungsgerichts zu verhindern. Die Zustimmung soll unterbleiben, bis Karlsruhe über ihre komplexen Verfassungsklagen entschieden hat.
Dies lehnten die Richter nun ab. Zur Begründung verwies Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle auf eine „Folgenabwägung“. Ein vorläufiges Scheitern von Ceta könne weitreichende „irreversible“ Nachteile für die künftige EU-Handelspolitik haben. Wenn sich Deutschland und die EU als unverlässliche Partner erwiesen, könnte dies ihre Handlungsfähigkeit bei der weiteren Gestaltung globaler Handelspolitik „dauerhaft“ einschränken. Damit folgte das Gericht ganz den Argumenten, die Minister Gabriel am Vortag vorgebracht hatte.
Drei Vorgaben zur Sicherheit
Karlsruhe will aber auch verhindern, dass bis zur inhaltlichen Prüfung der Verfassungsbeschwerden irreversible Nachteile für die Kläger entstehen. Drei Vorgaben sollen deshalb sicherstellen, dass insbesondere während der vorläufigen Anwendung von Ceta die Rechte von Bürgern und Parlamenten gewahrt bleiben.
So soll - erstens - Ceta nur dort vorläufig angewandt werden, wo es „unstreitig“ um ausschließliche Kompetenzen der EU geht. Auszunehmen seien deshalb Teile des Investitionsschutzes inklusive des umstrittenen Investitions-Gerichtshofs sowie Regeln zum Seeverkehr, zur Anerkennung von Berufsabschlüssen und zum Arbeitsschutz. Das entspricht im wesentlichen der jüngsten Beschlussvorlage der EU-Kommission vom 5. Oktober.
Aussteigen noch möglich
Die zweite Vorgabe betrifft den gemeinsamen Ceta-Ausschuss, dessen Arbeit die Kläger als undemokratisch kritisiert hatten. Hier muss die Bundesregierung eine „hinreichende demokratische Rückbindung“ sicherstellen. So schlagen die Richter eine EU-interne Vereinbarung vor. Diese soll sicherstellen, dass eine Änderung der Anhänge zum Ceta-Vertrag nur nach einem vorherigen einstimmigen EU-Ratsbeschluss erfolgt. „Das ist machbar“, sagte Franz Mayer, Rechtsvertreter der Bundesregierung, „solche Regelungen gibt es bereits bei anderen Abkommen.“
Drittens soll Deutschland die Möglichkeit haben, einseitig die vorläufige Anwendung von Ceta zu beenden, wenn trotz der anderen Sicherungen doch die deutsche Verfassungsidentität gefährdet würde. Franz Mayer hatte am Vortag in der Verhandlung erklärt, dies sei laut Ceta-Vertrag möglich - was aber umstritten blieb. Nun muss die
Bundesregierung ihre Rechtsauffassung in einer „völkerrechtlich erheblichen“ Erklärung den anderen Vertragspartnern mitteilen. Diese müssen jedoch nicht zustimmen.
Nach der Verkündung des Urteils waren alle Beteiligten mehr oder weniger zufrieden. „Das Urteil entspricht weitgehend der Auffassung der Bundesregierung“, sagte Wirtschafts-Staatssekretär Matthias Machnig (SPD). Foodwatch-Chef Thilo Bode sprach dagegen von einer „Ohrfeige für die Regierung“.