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Bundestag entscheidet über Evakuierung in Afghanistan durch Bundeswehr

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist sehr bedrohlich. Am Mittwoch votiert der Bundestag über den Einsatz der Bundeswehr bei der militärischen Evakuierung. Die SPD-Fraktion will zustimmen. Unklar ist, wie lange der Rettungseinsatz dauern kann.
von Lars Haferkamp · 25. August 2021
Evakuierung durch die Luftwaffe: Am Flughafen Hannover traf am 20. August 2021die erste Bundeswehr-Maschine mit geflüchteten Menschen aus Afghanistan ein.
Evakuierung durch die Luftwaffe: Am Flughafen Hannover traf am 20. August 2021die erste Bundeswehr-Maschine mit geflüchteten Menschen aus Afghanistan ein.

Der Bundestag stimmt am Mittwoch über einen Antrag der Bundesregierung zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan ab. Es geht um den bereits dort laufenden Einsatz der Bundeswehr. Auf Verlangen der Koalitionsfraktionen kommt das Parlament dafür zu einer Sondersitzung zusammen. Nach der Regierungserklärung der Kanzlerin folgt eine 90-minütige Debatte.

Die Bundesregierung bittet in ihrem Antrag den Bundestag konkret um Zustimmung zu „der am 15. August 2021 im Krisenstab getroffenen und durch Beschluss der Bundesregierung am 18. August bestätigten Entscheidung zur Entsendung erster Einsatzkräfte am 16. August 2021 und dem damit bereits begonnenen Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte“. Dabei geht es um die „Evakuierung deutscher Staatsangehöriger, Personal der internationalen Gemeinschaft und designierter Personen aus Afghanistan“. Die SPD-Bundestagsfraktion wird dem zustimmen und hofft auch auf die Zustimmung der anderen Fraktionen, so Rolf Mützenich, der SPD-Fraktionschef.

Rolf Mützenich: Der ganze Westen lag falsch

„Die SPD-Bundestagsfraktion dankt den Soldatinnen und Soldaten und den zivilen Kräften, die sich derzeit in einer äußerst bedrohlichen Situation in Afghanistan für die Rettung von tausenden Menschenleben einsetzen“, betont Mützenich. Leider habe in Afghanistan das westliche Bündnis insgesamt und damit auch die deutsche Bundesregierung die Lage vor Ort falsch eingeschätzt. Die Gründe dafür müssten umfassend analysiert werden.

Der SPD-Fraktionschef kritisiert, „dass angesichts der dramatischen Situation einige nicht davon ablassen können, auf dem Rücken der Menschen, für die es um Leben und Tod geht, Wahlkampf zu treiben“. Auch wenn sich manche Entscheidungen im Nachhinein mit dem Wissen von heute als falsch erwiesen hätten, „sollte niemand anderen absprechen, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben, oder gar vorwerfen, Menschenleben leichtfertig aufs Spiel zu setzen“. Mützenich ruft daher „alle Fraktionen dazu auf, sich entsprechend maßvoll zu verhalten“.

Bundesregierung sieht dramatische Bedrohungslage

Die Regierung begründet den Einsatz der Bundeswehr mit der dramatisch verschlechterten Sicherheits- und Bedrohungslage in Afghanistan nach der Machtübernahme durch die radikal-islamistischen Taliban. Obwohl die politische Führung der Taliban wiederholt versichert habe, „eine Verhandlungslösung erreichen zu wollen, haben die Taliban bei wegbrechender staatlicher Autorität das Land unter ihre Kontrolle gebracht“, heißt es im Antrag der Bundesregierung. „Mit der daraus folgenden Implosion der afghanischen Regierung und der Machtübernahme durch die Taliban sind die örtlichen Sicherheitsstrukturen in der Hauptstadt Kabul weggebrochen.“ Die Lage sei gegenwärtig „außerordentlich unübersichtlich“.

Durch die „dramatische Verschlechterung der Sicherheitslage“ erhöhe sich die Bedrohung für alle An- und Abflüge in Afghanistan. Aktuell sei nur noch der Flughafen Kabul unter einer „erheblichen Bedrohungslage“ für militärische Luft­fahrzeuge nutzbar. In dieser Lage müsse die Bundesregierung nun eine militärische Evakuierung deutscher Staatsbürger*innen und besonders schutzbedürftiger Repräsentant*innen der afghanischen Zivilgesellschaft sicherstellen.

600 Soldat*innen der Bundeswehr im Einsatz

Dafür sollen bis zu 600 Soldat*innen der Bundeswehr eingesetzt werden können. Ihr Einsatz soll längstens bis zum 30. September 2021 dauern und nur, solange die Zustimmung des Bundestages vorliegt. Der Einsatz erfolge auf Grundlage „der fortgeltenden Zustimmung der Regierung der Islamischen Republik Afghanistan zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Evakuierung“ der genannten Personen sowie aufgrund des gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechts jedes Staates zur Evakuierung seiner Staatsbürger*innen.

Wie lange der Evakuierungseinsatz dauert, hängt entscheidend von den USA ab. Diese hatten zuletzt angekündigt, ihren Einsatz bereits Ende August beenden zu wollen. Das bekräftigte US-Präsident Joe Biden am Dienstag bei einer Videoschalte der G7-Staats- und Regierungschefs. Ohne den militärischen Schutz der USA ist die Bundeswehr in Afghanistan nur sehr beschränkt einsatzfähig.

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