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Brexit-Day: „Die Mammutaufgabe steht Großbritannien und der EU erst noch bevor“

An diesem Freitag tritt Großbritannien aus der EU aus. Für Deutsche auf der Insel ändert sich vorerst nichts. Trotzdem blicken sie in eine ungewisse Zukunft.
von Kai Doering · 30. Januar 2020
Schwanken zwischen Hoffnung und Ernüchterung: Für deutsche Staatsbürger*innen in Großbritannien ändert sich durch den Brexit erstmal nichts.
Schwanken zwischen Hoffnung und Ernüchterung: Für deutsche Staatsbürger*innen in Großbritannien ändert sich durch den Brexit erstmal nichts.

Nach einigem Hin und Her tritt Großbritannien am Freitag aus der Europäischen Union aus. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf diesen Brexit-Tag?

Zunächst bin ich erleichtert, dass es nicht zu einem chaotischen Brexit kommt. Diese Möglichkeit war ja in den vergangenen Monaten durchaus realistisch, hätte aber unvorhersehbare Folgen gehabt. Ansonsten bin ich aber unsagbar traurig, dass es so weit gekommen ist. Auch ein geregelter Brexit ist deutlich schlechter als kein Brexit.

Was ändert sich für Sie als Deutschen in Großbritannien mit dem Austritt am 31. Januar?

Großbritannien wird an diesem Tag die EU verlassen, aber im täglichen Leben ändert sich damit erstmal nichts. Das Übergangsabkommen mit der Europäischen Union sieht ja vor, dass Großbritannien zwar innerhalb der EU nicht mehr mitbestimmen kann, aber mindestens bis zum 31. Dezember dieses Jahres, wahrscheinlich sogar noch zwei Jahre länger, an alle europäischen Abkommen gebunden ist. Wie es danach weitergeht, muss jetzt erst verhandelt werden. Dann entscheidet sich auch, ob es zu einem harten oder einem soften Brexit kommt. Die richtige Mammutaufgabe steht damit sowohl Großbritannien als auch der EU erst noch bevor.

Nach dem Referendum 2016 ist das Brexit-Datum immer wieder verschoben worden. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Es war ein Schwanken zwischen Hoffen und Ernüchterung. Die Mitglieder des SPD-Freundeskreis London und auch ich persönlich waren sehr aktiv in der Bewegung, die ein zweites Referendum gefordert hat. Mit dem Erdrutschsieg der Konservativen im Dezember ist erstmal jede Hoffnung als Europäer und als Sozialdemokrat gestorben. Seitdem ist klar, dass der Brexit ganz sicher kommen wird. Leider hat auch Labour seinen Anteil daran.

Inwiefern?

Ich habe, wie viele andere auch, gehofft, dass sich Labour ganz deutlich für ein zweites Referendum und für den Verbleib Großbritanniens in der EU positioniert. Das haben die britischen Sozialdemokraten leider nicht gemacht und mit ihrem Zick-Zack-Kurs der europäischen Idee einen Bärendienst erwiesen. Bei der Parlamentswahl hat sich das gerächt. Deshalb ist es auch gut, dass die Partei nun eine neue Führung bekommen wird.

Sie haben bereits erwähnt, dass Großbritannien auch nach Freitag weiter an europäische Abkommen gebunden ist, sich also erstmal nichts ändert. Wie stellen Sie sich auf den Tag ein, an dem das Land wirklich nichts mehr mit der EU zu tun hat?

Um ehrlich zu sein, wissen wir als EU-Bürger in Großbritannien nicht, wie wir uns auf den Tag X vorbereiten sollen. Dafür ist noch viel zu unklar, was das konkret bedeuten wird. Wir Deutsche fühlen uns recht sicher, da die Bundesregierung ja mit dem Brexit-Übergangsgesetz vorgesorgt hat, das am 1. Februar in Kraft treten wird. Damit werden uns, aber auch den Briten in Deutschland, dieselben Rechte garantiert, die auch vor dem Brexit gegolten haben. Ich hoffe sehr, dass die britische Regierung die Zeit, die sie durch die Übergangsregelung gewinnt, nutzen wird, um ein gutes Abkommen zum Wohle der Menschen, die in Großbritannien leben, zu verhandeln. Bis Ende dieses Jahres wird das kaum zu machen sein.

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Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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