Brasilien, Argentinien, Mexiko: Gemeinsam zu eigenen Coronaimpfstoffen
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Die Impfquote Südamerikas ist unter den höchsten weltweit. Chile ist mit 86 Prozent vollständigen Impfungen Spitzenreiter, gefolgt von Uruguay, Argentinien und Ecuador. Bei den Erstimpfungen kommen die Länder sogar auf Quoten von über 90 Prozent. Die Region, die während der Pandemie mit sehr hohen Infektions- und Todesraten zu kämpfen hatte, legte 2021 einen bemerkenswerten Impfmarathon hin. Um den enormen Bedarf abzudecken, wird mit allen existierenden Impfstoffen aus dem Westen, aus China und aus Russland gearbeitet. Seit dem Jahreswechsel lässt Omikron die Inzidenzen wieder in die Höhe schnellen – allein in Argentinien von einer 7-Tage-Inzidenz von 57 Mitte Dezember zu 1720 einen Monat später.
Von geopolitischer Relevanz ist in diesem dritten Coronajahr die Impfstoffproduktion in Ländern des Globalen Südens. Einige machen sich auf, eigene Impfstoffe zu produzieren. Der karibische Inselstaat Kuba geht wie häufig einen Sonderweg: Er hat bereits verschiedene Impfstoffe entwickelt, selbst angewandt und mit über 90 Prozent die höchste Impfquote aller lateinamerikanischen Länder. Doch was passiert in der Region jenseits des kubanischen Sonderwegs?
Brasilien, Mexiko und Argentinien kooperieren
2021 begannen die drei größten Länder Lateinamerikas – Brasilien, Mexiko und Argentinien –, Komponenten des Produktionsprozesses existierender Impfstoffe herzustellen. Argentinien ließ als erstes lateinamerikanisches Land den russischen Impfstoff Sputnik V zu und startete damit Ende 2020 seine Impfkampagne. Mittlerweile wurden 20 Millionen Dosen Sputnik im Land verimpft. Teile der europäischen und russischen Impfstoffherstellung wurden nach Argentinien, Mexiko und Brasilien verlagert – auch dank des proaktiven Vorgehens der Länder, durch das sie die Produktion mittels Abkommen mit den marktführenden Laboren in die Region holen konnten.
Das argentinische Pharmazieunternehmen Richmond in der Nähe von Buenos Aires hat über ein Technologietransferabkommen mit dem Russischen Direkt-Investment-Fonds (RDIF) die Filtration des Wirkstoffs aus Russland sowie die Abfüllung, Fertigstellung und Verpackung der Sputnik-Impfstoffe übernommen. Bis Januar 2022 wurden hierdurch bereits 6,5 Millionen Dosen produziert. Diese Strategie ermöglichte es, den lokalen Bedarf schneller abzudecken. Gleichzeitig wird eine neue Produktionsanlage der Firma im Großraum Buenos Aires gebaut mit dem Ziel, dort den gesamten Prozess von der Wirkstoffproduktion bis zur Verpackung zu ermöglichen. Bis zu 400 Millionen Impfdosen pro Jahr sollen – auch für den Export – hergestellt werden.
Die Herstellung von AstraZeneca durch die Labore mAbxience aus Argentinien und Liomont aus Mexiko konnte 2021 nur verzögert starten, da die USA aufgrund nationaler Interessen zunächst den Export des Wirkstoffs verhinderten. Mittlerweile haben die beiden Labore zusammen 70 Millionen Dosen produziert und in der Region verteilt. Es sollen wesentlich mehr folgen.
Eigene Impfstoffe in klinischen Studien
Doch dies ist nur ein Teil der argentinischen Strategie. Argentinische Labore und akademische Forschungsinstitute, unterstützt vom Staat, entwickeln bereits eigene Impfstoffe gegen Covid. Die vier aussichtsreichsten Projekte heißen ARGENVAC, ARVAC, COROVAXG.3 und „Spinetta“. Sie entstammen verschiedenen argentinischen Public Private Partnerships und befinden sich entweder in der vorklinischen oder klinischen Testphase mit dem Ziel, diese Impfstoffe 2023 auf den Markt zu bringen.
Die argentinische Regierung unter Präsident Alberto Fernández betont die Bedeutung der „Souveränität“ und Unabhängigkeit von den existierenden Marktführern. Und natürlich ist die Produktion vor Ort und regionale Verteilung auch notwendig, um die globale Ungleichheit beim Zugang zu Impfstoff zu reduzieren. Argentinien hat bisher 1,7 Millionen Dosen innerhalb der Region gespendet. Die Diskussion über die Freigabe der Patente dreht sich im Kreis. Die COVAX-Initiative bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Währenddessen sorgt die lokale Impfstoffentwicklung und -produktion in denjenigen Ländern des Globalen Südens, die eine entsprechende Infrastruktur bereits vorweisen oder aufbauen können, für eine wesentlich vielversprechendere geopolitische Strategie für globale Gesundheit.
ist Leiterin des FES-Büros in Argentinien. Von 2014 bis 2019 war sie Leiterin des Referats Lateinamerika/Karibik der FES in Berlin.