Botschaft der Unzufriedenheit an Frankreichs Sozialisten
Frankreichs Landkarte ist am Montag hellblau gefärbt. Denn das bürgerlich-konservative Lager hat in der zweiten Runde der Départementswahlen am Sonntag 67 der 101 Départements gewonnen. Nur 34 gingen an die regierenden Sozialisten, die damit fast die Hälfte der bisher gehaltenen Gebietskörperschaften verloren. „Dieses Ergebnis zeigt eine tiefe Unzufriedenheit mit der Regierung“, sagte der Meinungsforscher Gaël Sliman der Zeitung Le Parisien. „Das war mehr eine Abstrafung der Linken als ein Votum für die Rechten.“
Erfolge rechts und rechts außen
Dem rechtsextremen Front National (FN) gelang es nicht, ein Département zu erobern. Allerdings gewann die ausländer- und europafeindliche Partei von Marine Le Pen mehr als 60 Mandate in den Département-Räten, die in etwa den deutschen Kreisräten entsprechen.
Die konservative UMP und ihre Verbündeten, die bisher 40 Départements hielten, konnten in 28 weiteren einen Machtwechsel herbeiführen und verloren lediglich eine Gebietskörperschaft. Lozère wechselte von rechts nach links. Der Chef der konservativen UMP, Nicolas Sarkozy, feierte den Erfolg als eine Art Etappensieg auf seinem Weg zurück in den Elysée-Palast. „Der Machtwechsel ist im Gang und nichts wird ihn aufhalten“, sagte der Ex-Präsident, der erst vor vier Monaten die Führung seiner zerstrittenen Partei übernommen hatte.
Sozialisten „haben Prügel bezogen“
Mit dem Erfolg am Sonntag hat sich Sarkozy eine gute Ausgangsbasis für die Vorwahlen 2016 geschaffen, in denen die UMP ihren Präsidentschaftskandidaten festlegt. Neben dem Parteichef, der seine Kandidatur noch nicht offiziell gemacht hat, wollen auch die Ex-Regierungschefs François Fillon und Alain Juppé für die UMP 2017 ins Rennen gehen.
Die Sozialisten erkannten ihre vierte Niederlage in Folge seit den Präsidentschaftswahlen 2012 an. „Wir haben Prügel bezogen“, sagte Staatssekretär Thierry Mandon. Die Regierungspartei verlor mehrere seit Jahrzehnten gehaltene Départements wie Bouche-du-Rhône, Essonne und Corrèze, die politische Heimat des unbeliebten Präsidenten François Hollande. Allerdings gab es schon schlechtere Zeiten für die Sozialisten. Bei ihrer historischen Niederlage 1992 errangen sie nur 21 Départements.
Regierungschef Manuel Valls, der sich im Wahlkampf stark gegen den FN engagiert hatte, machte die Spaltung der Linken für den Misserfolg verantwortlich. Parteiinterne Kritiker um den früheren Bildungsminister Benoît Hamon fordern seit Monaten eine Korrektur des ihrer Ansicht nach zu unternehmerfreundlichen Kurses der Regierung.
Hollande schließt Kurswechsel aus
Auch am Wahlabend verlangten die so genannten Frondeurs „ernsthafte Veränderungen“, um eine weitere Zersplitterung der Linken zu verhindern. Präsident Hollande hatte bereits vor der Wahl einen Kurswechsel und personelle Konsequenzen ausgeschlossen. Auch Valls will an seiner Linie festhalten. Er kündigte am Wahlabend an, sich mit „doppelter Kraft“ für Beschäftigung einzusetzen.
Denn vor allem die Ohnmacht der Regierung angesichts der Rekordarbeitslosigkeit treibt die Wähler von den Sozialisten weg, die vor knapp drei Jahren sowohl die Präsidentschafts- als auch die Parlamentswahlen gewonnen hatten. „Ohne einen zumindest teilweisen Sieg an der Arbeitslosenfront wird die Linke ganz sicher von der Macht vertrieben“, kommentierte die linksgerichtete Zeitung Libération am Montag. Der Erfolg des FN sei nicht so sehr auf die Stärke der rechtsextremen Partei, sondern vielmehr auf den schlechten Zustand des Landes zurückzuführen.
Front National mit gemischtem Ergebnis
Der FN, der erstmals im ganzen Land mit Kandidaten antrat, eroberte mit seinen Kandidatenpaaren gut 30 der insgesamt rund 2000 Wahlkreise. Allerdings hatte die Le-Pen-Partei darauf gehofft, in einem Département die Mehrheit zu gewinnen. Doch das gelang den „Frontisten“ nicht einmal im südlichen Vaucluse, wo die Nichte der Parteichefin, Marion Maréchal-Le Pen, Wahlkampf gemacht hatte. „Der Front National breitet sich aus, ohne zu triumphieren“, kommentierte PS-Chef Jean-Christophe Cambadélis das Ergebnis. Aber Marine Le Pen schaut bereits auf die nächsten Wahlen. „Das war eine entscheidende Etappe auf dem Weg zur Macht“, sagte die 46-Jährige am Sonntagabend.
Christine Longin begann ihre journalistische Laufbahn bei der Nachrichtenagentur AFP, wo sie neun Jahre lang die Auslandsredaktion leitete. Seit vier Jahren ist sie Korrespondentin in Frankreich, zuerst für AFP und seit Juli für mehrere Zeitungen, darunter die Rheinische Post.