Biden versus Sanders: Warum den Demokraten eine Zerreißprobe droht
Der Super Tuesday in den USA brachte eine große politische Überraschung. Der ehemalige Vizepräsident Joe Biden räumte am wichtigsten Wahltag im Vorwahlkampf der Demokrat*innen gleich zweimal ab. Seine Siegesserie reichte von der Ostküste bis in den Südwesten, von Massachusetts, Virginia und North Carolina über Tennessee, Alabama und Arkansas bis nach Oklahoma und Texas.
Sanders gewinnt in Kalifornien
Am Dienstag, 3. März, hatten in 14 Bundesstaaten die Wahllokale geöffnet, um den*die Präsidentschaftskandidat*in der Demokrat*innen zu wählen. Biden gewann in den meisten Staaten, in vielen davon sehr klar. Bei den Vorwahlen der Demokrat*innen kommt es darauf an, Delegierte für den Nominierungsparteitag im Juli in Milwaukee zu gewinnen. Fast ein Drittel der Delegierten der Demokratischen Partei standen zur Wahl, also 1357 von 3979. Und auch hier hat Biden aller Voraussicht nach die Nase vorn.
Der unabhängige Senator aus Vermont, Bernie Sanders, galt vor einer Woche noch als Favorit in einem unübersichtlichen Rennen. Doch nun geht der Vorwahlkampf in eine neue Phase und wird zum Duell zwischen Biden und Sanders. Sanders gewann am Super Tuesday in Vermont, Utah und Colorado und wird auch den wichtigsten Staat in dieser Runde holen, nämlich Kalifornien. Allerdings wird er nicht alle 415 Delegierten aus dem bevölkerungsreichsten Staat des Landes für sich gewinnen, da Biden auch in Kalifornien ein beachtliches Ergebnis erzielte.
Ein fulminanter Sieg
Sanders hatte die bisherigen Vorwahlen im Februar in Iowa, New Hampshire und Nevada für sich entscheiden können. Das moderate Lager der Demokrate*innen war dagegen zersplittert und Bidens enttäuschende Wahlergebnisse ließen ihn abgeschlagen erscheinen. Seine Kandidatur schien vorzeitig zu Ende zu sein. Doch Biden blieb beharrlich und hatte seine Augen auf die vierte Vorwahl in South Carolina gerichtet. Seine politische Erfahrung und sein politischer Instinkt gaben ihm hier Recht.
Am Samstag vor dem Super Tuesday gelang Biden ein fulminanter Sieg. Die mehrheitlich schwarzen Wähler*innen hoben den Mann, den sie kennen und dem sie auch vertrauen, auf ihr Schild und trugen ihn nach vorn. Dies wurde in der Retrospektive der Moment, in dem sich alle um den Sieger scharten.
Buttigieg, Klobuchar und Bloomberg für Biden
Am Montag beendeten die anderen moderaten Demokrat*innen im Rennen ihre Kampagnen. Pete Buttigieg, Amy Klobuchar und auch der schon länger ausgeschiedene Beto O'Rourke traten zusammen mit Joe Biden auf und sicherten ihm ihre Unterstützung im Kampf um die Nominierung und um die Präsidentschaft zu. Sein Kalkül, den Vorwahlkampf auf zwei Persönlichkeiten zu konzentrieren, ging auf. Am Morgen nach dem Super Tuesday gab auch der ehemalige Bürgermeister aus New York Michael Bloomberg auf und sicherte Biden seine Unterstützung zu.
Der Versuch des Milliardärs Bloomberg, die Vorwahlen durch den massiven Einsatz von Eigenmitteln zu kapern, ist letztendlich gescheitert. Das ist eine gute Nachricht für die US-amerikanische Demokratie. Bloomberg war sehr spät in den Vorwahlkampf eingestiegen, hatte an den meisten Debatten der Kandidat*innen nicht teilgenommen und baute mit seinem Geld die größte Wahlkampfmaschine auf. Alleine 500 Millionen Dollar setzte er für seine Wahlkampfwerbung ein.
Warrens bittere Niederlage
Er wettete auf ein schlechtes Abschneiden von Joe Biden, um dann die moderaten Stimmen im Handstreich abzuräumen. Es ist auch der Verdienst der Senatorin und Kandidatin Elizabeth Warren, die Ungeheuerlichkeit dieses Vorgangs beim Namen zu nennen und damit Bloombergs Wette zum Scheitern zu bringen. Bloomberg und seine Ressourcen können nun im Herbst eine wichtige Rolle spielen, um den amtierenden Präsidenten im eigentlichen Wahlkampf zu schlagen.
Elizabeth Warrens Abschneiden im Vorwahlkampf und am Super Tuesday ist für sie und ihre Anhänger bitter. Nicht einmal in dem Bundesstaat, den sie im Senat repräsentiert, gelang ihr ein Erfolg. Die Wähler*innen in Massachusetts verwiesen sie auf den dritten Platz. Doch das von ihr entwickelte Wahlprogramm wird sicher großen Einfluss auf die Agenda der Demokrat*innen haben, mit der sie Donald Trump nach der Nominierung ihres Kandidaten herausfordern werden.
Sanders‘ unversöhnliche Rhetorik
Doch der Weg bis zur Nominierung Mitte Juli ist noch weit. In 32 Staaten stehen die Vorwahlen bevor und stellen die Demokratische Partei weiter vor eine Zerreißprobe. Die Wähler*innen der Partei müssen sich zwischen zwei politischen Entwürfen entscheiden. Bernie Sanders nennt sich selbst einen demokratischen Sozialisten, verspricht eine politische Revolution mit strukturellen Veränderungen, die letztendlich ein sozialdemokratisches Reformprogramm darstellen. Er ist sich selbst treu und hat die Unterstützung der jungen Menschen, die aber oft nicht wählen gehen.
Auch am Super Tuesday war nur etwa jeder achte Wähler zwischen 18 und 29 Jahre alt. In den vergangenen vier Jahren ist es Bernie Sanders zwar teilweise gelungen, seine Wählerschaft auszubauen, insbesondere bei den aus Lateinamerika stammenden Wählergruppen. Ob er aber genug Nichtwähler*innen mobilisieren kann, ist weiter eine offene Frage. Seine Sprengkraft besteht vor allem in seiner Rhetorik, in der etwas Unversöhnliches mitschwingt. Es scheint, als wolle er die Partei, für die er als Präsidentschaftskandidat antreten möchte, und ihre Repräsentant*innen besiegen, um es dann mit Donald Trump aufzunehmen.
Biden als Heiler der Nation
Joe Biden hingegen spricht einladend, um möglichst viele Unterstützer*innen hinter sich zu vereinen. Sein Kampf konzentriert sich darauf, die Würde Amerikas nach innen wie nach außen wiederherzustellen. Bodenständigkeit, Erfahrung und Anstand machen ihn zum überraschenden Hoffnungsträger vieler Demokraten. Es geht ihm um die Seele Amerikas.
Und genau damit kann er Trump sehr gefährlich werden. Biden will der Heiler der Nation werden und Hoffnung für viele ausstrahlen. Die Demokrat*innen waren immer dann in Wahlkämpfen erfolgreich, wenn sie dem gesamten Land glaubwürdig Hoffnung gaben. Daher endete Joe Biden seine Rede in Los Angeles am Super Tuesday mit viel Pathos und zitierte den irischen Dichter Seamus Heaney mit dem Versprechen, Geschichte und Hoffnung zum Reimen zu bringen.