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Biden statt Bernie: Die US Demokraten nehmen Kurs auf den Wahlsieg

Mit dem Rückzug von Bernie Sanders steht Joe Biden als Präsidentschaftskandidat der US Demokraten de facto fest. Gleichzeitig sind damit die Chancen Bidens deutlich gestiegen, Donald Trump aus dem Weißen Haus zu drängen.
von · 9. April 2020
Bernie Sanders hat sich aus dem Präsidentschaftsrennen zurückgezogen. Die Chancen der US Demokraten auf einen Wahlsieg gegen Donald Trump sind damit deutlich gestiegen.
Bernie Sanders hat sich aus dem Präsidentschaftsrennen zurückgezogen. Die Chancen der US Demokraten auf einen Wahlsieg gegen Donald Trump sind damit deutlich gestiegen.

Bernie Sanders gab am 8. April eine historische Erklärung aus seinem Haus in Vermont ab. Er beendet seine dynamische Kampagne, die gerade die Unterstützung vieler junger Amerikanerinnen und Amerikaner hatte, und steigt aus dem Rennen um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der US Demokraten aus. Das ist gut so und wurde erwartet, da selbst enge Unterstützer wie sein Wahlkampfleiter oder die Kongressabgeordnete aus dem Staate Washington, Pramila Jayapal, diesen Schritt seit einer Woche öffentlich forderten. Er macht damit den Weg frei für Joe Biden und die Demokratische Partei, sich auf die eigentliche Aufgabe zu konzentrieren, nämlich Donald Trump herauszufordern, seine Inkompetenz und Korruption zu stellen und ihn dann am Wahltag im November zu schlagen.

Biden war schon abgeschrieben

Somit ist Joe Biden de facto der Präsidentschaftskandidat der US Demokraten. Schon jetzt liegt hinter dem 77 Jahre alten Ex-Vizepräsidenten ein Kraftakt, in dem er für Überraschungen gut war. Noch im Februar war er nach den Niederlagen bei den Vorwahlen in den Staaten Iowa, New Hampshire und Nevada abgeschlagen. Die Stimmen des moderaten Lagers der Demokratischen Partei verteilten sich auf Pete Buttigieg, Amy Klobuchar und Joe Biden. Letzterer wurde schon abgeschrieben. Der selbsterklärte demokratische Sozialist Bernie Sanders schien die Oberhand zu gewinnen.

Doch Joe Bidens Erfahrung und Fähigkeit, Verbündete zu gewinnen, zahlten sich aus. Er gab nicht auf, gewann wichtige Wahlempfehlungen und drehte mit Unterstützung der afro-amerikanischen Wählerschaft, die den Kern der Demokratischen Partei ausmacht, die Dynamik des gesamten Vorwahlkampfes. Ende Februar errang er einen Erdrutschsieg in South Carolina. Danach war alles anders. Amy Klobuchar und Pete Buttigieg gaben ihre Kandidaturen auf und unterstützten mit Tamtam das kampferprobte Schlachtross Joe Biden. Offensichtlich sahen auch die meisten Wählerinnen und Wähler der Demokraten Biden als Mann der Stunde, um die Herkulesaufgabe zu meistern, Trumps Präsidentschaft durch einen Wahlsieg im November endlich zu beenden. Sie schenkten ihm sowohl beim Super Tuesday am 3. März und beim Kleinen Super Tuesday am 10. März ihr Vertrauen.

Corona beendet den Vorwahlkampf

Biden mobilisierte viele Wählerschichten, die Wahlbeteiligung bei den Demokraten war hoch, höher als 2016. Er gewann die Vorwahlen in zehn von 14 Bundesstaaten und eine Woche später in weiteren acht von zehn Staaten. Besonders wichtig wäre für Bernie Sanders ein Wahlsieg in Michigan gewesen, aber gerade dort – bei Haushalten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – hatte er anders als 2016 keinen Stich, Biden lag ganz klar vorne. Eigentlich war der Kampf um die Nominierung schon zu diesem Zeitpunkt zu Ende. Die anfangs aussichtsreiche und programmatisch progressive Kandidatin Elizabeth Warren war nach ihrem enttäuschenden Abschneiden am Super Tuesday ausgeschieden und Sanders lag weit hinter Biden zurück. Bei den Vorwahlen kommt es darauf an, möglichst viele Delegierte für den Aufstellungsparteitag und damit für die Nominierung zu gewinnen, und am 10. März war der Abstand zwischen Biden und Sanders schon so groß, dass Biden sich seiner Mehrheit sicher sein konnte. Der Wahlkampf lief aber weiter, da Sanders im Rennen bleiben wollte.

Doch am 10. März endete der konventionelle Vorwahlkampf ob der in den USA angelangten und umgreifenden Corona-Pandemie. An diesem Abend verzichteten sowohl Biden als auch Sanders auf Kundgebungen. Ihre Reden wurden stattdessen ohne Publikum im Internet übertragen. Alle Wahlkampfveranstaltungen wurden abgesagt und mit dem Stillstand des öffentlichen Lebens, der langsam in den meisten Staaten der USA einsetzte, wurden auch fast alle verbliebenen Vorwahlen auf die zweite Junihälfte verschoben. Die Corona-Krise wurde zum bestimmenden Thema, der Vorwahlkampf der Demokraten war nur noch zweitrangig.

Joe Biden setzte sich auch für eine Verschiebung des Aufstellungsparteitags der Demokraten von Mitte Juli auf Mitte August ein. Und so wird es nun gemacht. Doch der verbliebene Konkurrent Bernie Sanders rührte sich nicht. Alle Welt fragte sich, was macht Bernie? Wäre es nicht besser in Zeiten der Krise den Vorwahlkampf zu beenden und alle Kraft auf die Frage zu konzentrieren, wie die Krise des Landes bewältigt werden kann?  Zudem könnte damit auch der Öffentlichkeit klar gemacht werden, dass ein demokratischer Präsident und vor allem ein anderer Präsident als Donald Trump, das Land besser durch diese schwere Zeit führen kann.

Sanders' politisches Programm wird weiter wirken

Bernie Sanders wägte ab, wie er mehr Einfluss auf den weiteren politischen Prozess nehmen könnte – vor allem auf die programmatische Ausgestaltung von Wahl- und Regierungsprogramm. Nun ist er offensichtlich zu der Erkenntnis gekommen, dass es besser sei, die politische Auseinandersetzung auf Donald Trump zu konzentrieren und dafür eine Einigung zwischen Moderaten und Progressiven in der Demokratischen Partei zu erreichen. Er bietet Biden den Vortritt, in der Hoffnung, politische Zugeständnisse zu erhalten. Seine Ausstiegsrede deutet darauf hin, dass er sich als Teil der Führung der Demokratischen Partei sieht und Verantwortung übernehmen will, um der schweren Gesundheits- und Wirtschaftskrise im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Herr zu werden.

Die Vorwahlen werden zwar noch weiterlaufen, aber mit anderem Charakter. Schon jetzt finden Verhandlungen zwischen Biden und Sanders und ihrem jeweiligen Umfeld statt, um eine politische Einigung zu erzielen. Dafür wird Biden Zugeständnisse bei der Reform der Krankenversicherung und anderer sozialer Sicherungssysteme machen müssen. Auch andere Politikfelder werden nicht unberührt bleiben. Senator Sanders politisches Programm wird also weiter wirken. Er wirbt noch um Delegierte für den Aufstellungsparteitag, da er 25 Prozent der Delegierten benötigt, um sicher zu sein, Einfluss auf das Wahlprogramm nehmen zu können, welches auf dem Parteitag verabschiedet wird.

Bidens Achillesverse sind die jungen Wähler*innen

Allen Unkenrufen zum Trotz hat der Ex-Vizepräsident nun gute Chancen, Trump am 3. November zu schlagen, denn er ist bekannt und beliebt im Land, gerade in den für die Präsidentschaftswahl entscheidenden Staaten. Er ist ein Kämpfer und hat im Vorwahlkampf gezeigt, dass er breite Wählerschichten an die Urne bringen kann. Seine Achillesferse sind die jüngeren Wählerinnen und Wähler, die ihn bisher mehrheitlich nicht unterstützt haben. Deshalb wird eine offene Unterstützung und auch Wahlempfehlung durch Bernie Sanders so wichtig sein. Da dieser aber nun eigenständig die Entscheidung gefällt hat, aus dem Rennen auszusteigen und er nicht aus diesem gedrängt wurde, ist es mehr als wahrscheinlich, dass Bernie Sanders letztendlich Joe Biden unterstützen und mithelfen wird, die Wahl gegen Trump zu gewinnen.

2016 haben acht von zehn von Bernie Sanders Vorwahl-Wählerinnen und -Wählern in der Präsidentschaftswahl für Clinton gestimmt. Die Demokraten können es sich 2020 nicht leisten, 20 Prozent der Wählerschaft von Sanders zu verlieren. Daher müssen sich beide Seiten bewegen. Die drohende Aussicht, vier weitere Jahre mit Donald Trump verbringen zu müssen, wird dabei eine zusätzliche Motivation sein.

Biden ist Trumps Angstgegner

Für Biden ist nun die Chance da, seine Kampagne zu konsolidieren und auch die Finanzierung sicher zu stellen. Wäre der innerparteiliche Wahlkampf weitergegangen, wäre das zunehmend schwieriger geworden. Außerdem hätten die Demokraten nicht die Chance gehabt, sich hinter einem Kandidaten zu sammeln. Nun ist das möglich und zwar viel früher als 2016. Andererseits hat der Vorwahlkampf schon jetzt viel zu lange gedauert und es ist mehr als an der Zeit, dass sich die Demokraten in ihrem politischen Kampf auf Donald Trump konzentrieren. Biden ist Trumps Angstgegner und er ist ihm mehr als gewachsen. Seine momentane Zurückhaltung ist gewollt, da Trump gegen sich selbst arbeitet.

Ein führender Mitarbeiter des Weißen Hauses unter Präsident Obama beschreibt das so: "Trump gewinnt gerade keine Stimmen für sich, so wie er sich in dieser Krise aufführt.“ Seine selbstverliebte Selbstdarstellung und mangelnde Empathie für das Leiden anderer im Angesicht dieser schweren Krise macht ihn für viele unwählbar, insbesondere für Frauen und unabhängige Wählerinnen und Wähler. Der leichte Anstieg der Zustimmungswerte für Trump in Umfragen sollte nicht überbewertet werden. Die Zustimmung nimmt schon wieder ab und ist nie über 50 Prozent hinaus gegangen.

Ein wichtiger Joker bleibt den Demokraten darüber hinaus noch. Barack Obama hatte sich bisher aus dem Vorwahlkampf herausgehalten. Da klar ist, wer der Präsidentschaftskandidat sein wird, kann er nun im eigentlichen Wahlkampf zum Zuge kommen, und er wird dies zu gegebener Zeit mit großer Wirkung tun. Die Demokraten werden zusammenkommen, um die historische Chance zu nutzen, die Geschicke der USA wieder selbst in die Hand zu nehmen.

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