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Bernie Sanders in Berlin: Warum Trump noch schlimmer ist als erwartet

Bernie Sanders hat in Berlin sein neues Buch „Unsere Revolution“ vorgestellt. Der US-amerikanische Senator warb für internationale Zusammenarbeit, kritisierte Donald Trump und forderte dazu auf, weiterzukämpfen.
von · 1. Juni 2017
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Eigentlich ist Bernie Sanders ein Verlierer: Nicht er ist 2016 der demokratische Präsidentschaftskandidat geworden, sondern Hillary Clinton. Die dann wiederum das Rennen gegen Donald Trump verlor. Wenn Sanders knapp ein halbes Jahr nach der Wahl trotzdem wie ein Gewinner wirkt, liegt das sowohl an Clinton als auch an Trump: Erstere hat sehr deutlich gezeigt, woran es den Demokraten mangelt – Charisma und überzeugenden Ideen für mehr soziale Gerechtigkeit, letzterer zeigt entgegen seiner Wahlversprechen wenig Interesse an den Sorgen des Durchschnittsamerikaners und plant umfassende Kürzungen in der Gesundheitsvorsorge und im Sozialbudget.

Glaubwürdigkeit und radikale Lösungen

Barack Obama ist zum Kirchentag nach Berlin gereist und auch Bernie Sanders hat nun den Weg in die deutsche Hauptstadt auf sich genommen: Zwei Politiker, die wie eine Art Kontrastprogramm zum aktuellen US-Präsidenten wirken und die Botschaft vertreten, dass es neben dem Trump-Amerika auch noch ein anderes Amerika gibt. Einer aktuellen Umfrage zufolge ist Bernie Sanders derzeit der beliebteste Politiker in den USA.

In der Freien Universität Berlin stellt Sanders am Mittwochabend sein Buch „Unsere Revolution. Wir brauchen eine gerechte Gesellschaft“ vor. Ganz neu ist dieses Buch nicht, in den USA erschien es bereits vor der Wahl im November 2016. An seiner Aktualität ändert das aber nichts. Sanders sieht nicht unbedingt aus wie jemand, der junge Menschen begeistert: Er wirkt stets mürrisch, hat eine etwas schleppende Art zu sprechen, und seine 75 Jahre sieht man ihm an. Doch der Eindruck täuscht, im Wahlkampf waren es vor allem junge Leute, die den Senator aus Vermont enthusiastisch unterstützten („Feel the Bern“) – eine Wählergruppe, die sich nicht wirklich für Hillary Clinton erwärmen konnte. Sanders sprach sie an, weil er Themen wie die horrenden College-Gebühren und soziale Ungleichheit immer wieder diskutierte und glaubhaft versicherte, auf radikale Lösungen für solche Probleme zu setzen. Er hat das, was Clinton im Wahlkampf oft fehlte: Charme, Charisma und das Image des Außenseiters.

Die USA auf dem Weg zur Oligarchie

Er werde über etwas sprechen, das alle Anwesenden interessiere, kündigt Sanders in Berlin an: „Nämlich, was in den Vereinigten Staaten gerade los ist.“ Donald Trump als Präsident sei noch schlimmer, als er erwartet habe: Er habe keinen Respekt für die Demokratie und ihre Institutionen, kein Verständnis für die amerikanischen Bürger, er lüge und manipuliere. Trumps Haushaltsplan nannte Sanders „den entsetzlichsten Haushalt überhaupt“: Millionen von Amerikanern drohten Einschnitte in ihre Gesundheitsversorgung, in ihre Sozialleistungen. Aus dem Publikum kommen Buh-Rufe und Sanders nickt: „Das ist die richtige Reaktion!“ Trump baue die USA zu einer Oligarchie um, zu einem Land, in dem eine kleine Gruppe Multimillionäre über das Wohl der Bürger bestimmt. Nur eine Woche nach Trumps desaströser Auslandsreise betont Sanders in Berlin, wie wichtig internationale Kooperation, Partnerschaft sowie der Einsatz gegen den Klimawandel seien. Das, so Sanders, sei die Sicht der meisten Amerikaner.

Doch nicht nur Trump kriegt sein Fett weg, die demokratische Partei hat in den Augen Sanders‘ viel falsch gemacht. Viele Menschen würden sich fragen, ob man ihnen überhaupt zuhöre, ihre Probleme ernst nehme. „Die traurige Wahrheit ist, dass wir in Washington zu wenig zugehört haben“, sagt Sanders. Was muss jetzt also getan werden? Sanders‘ Rede ist ein Aufruf dazu, sich nicht hängen zu lassen, weiterzukämpfen. Er könne verstehen, dass viele Menschen dem politischen Geschehen am liebsten den Rücken zukehren und ihre Ruhe haben wollen würden. Aber es gehe nun darum, Courage zu zeigen und für seine Überzeugungen einzustehen: „Tut, was getan werden muss – steht nicht nur daneben und lasst schlimme Dinge passieren. Ihr seid die Politik, sie ist kein Sport, bei dem man nur zuschaut.“ Politik müsse wieder relevant für normale Menschen werden.

Das Potenzial, die Welt zu verändern

Das Publikum tobt, Berlin fühlt ganz offensichtlich „the Bern“. Christoph Amend, Chefredakteur des „ZEIT Magazins“ und Moderator der Veranstaltung, bemerkt nach Sanders‘ Rede lächelnd, in diesem Raum würde Sanders wohl jede Wahl gewinnen. Im anschließenden Gespräch sollen Amend und Sanders sich eigentlich gegenübersitzen, zwei Stühle sind entsprechend arrangiert. Aber Sanders springt auf, er hat so viel zu sagen, versprüht so viel Energie. Der Stuhl stört dabei nur. Die Zuschauer lernen, dass Sanders‘ Tochter Yoga-Lehrerin ist und Berichte über ihren Dad in diversen Yoga-Zeitschriften unterbrachte. Dass Janet, Sanders‘ Frau, „viel schlauer ist als ich selbst“. Dass Sanders nicht selber twittert und niemals nachts – ein Seitenhieb auf den erratischen Twitterer Trump. Und dass Rapper „Killer Mike“, der ihn im Wahlkampf unterstützte, ein echt netter Typ sei.

Für Bernie Sanders, das wird ganz deutlich, hat der wahre Kampf gerade erst angefangen. Der Kampf gegen einen Präsidenten, der „keinen Bezug zur Lebensrealität normaler Menschen hat“, der die Menschen spaltet, statt sie zu vereinen. „Ich bitte euch dringend, eine Zukunftsvision einer Welt zu haben, die anders ist als die Welt, in der wir leben“, sagt Sanders. „Wir haben das Potenzial, eine neue Welt zu erschaffen.“

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