International

Bernd Lange zum Freihandel: Was CETA von TTIP unterscheidet

Für TTIP sieht er wenig Chancen, doch bei CETA sollten alle mal in die Details schauen, wünscht sich Bernd Lange, Vorsitzender des EU-Handelsausschusses. Für ihn sind Arbeitnehmerrechte die Basis eines guten Freihandelsabkommens.
von Yvonne Holl · 14. Juli 2016
placeholder

Herr Lange, viele Sozialdemokraten sind erleichtert, dass das Freihandelsabkommen mit Kanada auch den nationalen Parlamenten vorgelegt wird. Bringt diese Entscheidung mehr Demokratie?

Nein, denn demokratisch abgesichert ist jede Entscheidung in der Handelspolitik. Am Europäischen Parlament, den demokratisch gewählten Vertreter der europäischen Bürgerinnen und Bürgern, führt kein Weg vorbei.

Es liegt mir sehr am Herzen klarzustellen: Diese Entscheidung ist kein politisches Zugeständnis, sondern ergibt sich aus den Inhalten des Handelsvertrags und der Frage, ob das Abkommen auch nationalstaatliche Zuständigkeiten betrifft. 

Wie sieht der Zeitplan für CETA aus?

Ende Oktober wird unterschrieben, was aber nicht bedeutet, dass das Abkommen in irgendeiner Form angewendet wird. Dann geht das Abkommen in die Parlamente. Zunächst entscheidet das Europäische Parlament.

Wir wünschen uns einen breiten gesellschaftlichen Diskurs, deshalb wird es viele Anhörungen geben. So können wir uns einzelne Teile des Abkommens noch mal genauer anschauen, etwa diejenigen wo es  um Investitionsgerichtsbarkeit, um Arbeitnehmerrechte und um Daseinsvorsorge geht.

Wir müssen jetzt wirklich die Lupe nehmen und uns die 1600 Seiten angucken und vielleicht die ein oder andere Nachforderung stellen.

Von Ihnen stammt der Satz: „Die Inhalte müssen über die Zukunft eines Abkommens entscheiden, weder Lobby-Interessen noch ideologisch aufgeladene Parolen.“ Ist es dafür nicht fast schon zu spät bei CETA und TTIP?

Ich glaube, bei TTIP ja. Das Freihandelsabkommen mit den USA ist zum Symbol geworden für Bedrohungen in der Welt. Auf TTIP werden viele reale Probleme projiziert, etwa Fragen der Verteilungsgerechtigkeit und der Sicherung unserer natürlichen Ressourcen, auch Anforderungen an unser Wirtschaftssystem.

Was TTIP angeht, glaube ich, dass der Zug wirklich durch den Bahnhof durch ist. Ich glaube nicht, dass in absehbarer Zeit ein Abkommen auf dem Tisch liegen wird, das unsere hohen Anforderungen erfüllt. Die Vereinigten Staaten bewegen sich Null. Wir haben sehr viele ungeklärte Fragestellungen und die Administration von Obama ist zeitlich begrenzt.

Gilt das auch für CETA?

Bei Kanada ist es anders. Kanada ist deutlich anders aufgestellt als die USA und hat andere Interessen, die unseren Werten und Orientierungen entgegenkommen. Da liegt jetzt ein Text vor und in vielen Bereichen sind Dinge formuliert, die bei dem US-Abkommen wünschenswert wären, die die Amerikaner aber wahrscheinlich nicht unterschreiben würden.

Zum Beispiel?

Der faire Zugang für öffentliche Beschaffung (Einkäufe oder Beauftragung von Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber, Anm. der Redaktion) auf beiden Seiten des Atlantiks ist ein Beispiel. Aber auch die Sicherung des geistigen Eigentums und der Verwertungsrechte von Künstlern. Ebenso die Anerkennung von geographischen Herkunftsbezeichnungen, da geht es etwa um den Champagner oder die Nürnberger Rostbratwürstchen. Oder der umfassende Ausnahmekatalog und Schutz der kulturellen Vielfalt, wie auch das klare Verbot des Handels mit Fleisch, das mit künstlichen Hormonen erzeugt worden ist. Alles das sind Dinge, die in unserem Sinne festgehalten wurden.  

An welchen Punkten machen Sie ein gutes, gelungenes Abkommen fest?

Ganz wichtig sind für mich Arbeitnehmerrechte. Wenn wir Handel verstärken und regeln,  setzen wir damit auch Zeichen für weitere Abkommen für den globalen Markt und für die Globalisierung insgesamt. Deshalb gehören  fundamentale Arbeitnehmerrechte unmittelbar dazu, damit es eben keine unlauteren Wettbewerbsvorteile gibt und kein Sozialdumping Einzug halten kann.

Das universelle Arbeitnehmergrundgesetz – die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO – gehört dazu. Dessen vernünftige Umsetzung ist für mich Hauptbestandteil eines guten Handelsabkommens.

Kanada hat sich gesprächsbereit gezeigt und gerade eine weitere Kernarbeitsnorm ratifiziert.

Genau, die Kernarbeitsnorm Nummer 138, die das Mindestalter für den Eintritt in das Erwerbsleben regelt. Und jetzt geht es um Nummer 98, kollektive Verhandlungen. Das steht noch aus, aber das EP wird CETA sicher nicht ratifizieren, bevor das nicht eingetütet ist.

Die SPD widmet den Parteikonvent am 19. September in Wolfsburg dem Abkommen mit Kanada. Was erwartet die Genossen?

Das Programm steht noch nicht fest, Antragsschluss ist ja auch erst der 14. August. Es ist aber schon klar, dass die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland kommen wird, um mitzudiskutieren.

Und dann muss man sehen. Es gibt mehrere Entscheidungsoptionen. 1. Das Abkommen ist unüberwindbar und geht nicht. 2. Wir sagen einfach Ja. 3. Wir sehen gute Grundlagen aber haben noch weitere Anforderungen.

Ihre Prognose?

Wir sind mitten im Prozess die Inhalte des Abkommens zu analysieren. Das machen wir ergebnisoffen und inklusiv, nur so kann das klappen.

Mir hat gerade jemand gesagt er habe das Abkommen nicht gelesen, aber sei dagegen. Das hilft nicht weiter, genauso wenig wie Hurra-Patriotismus. Ich gehe lieber in die Details und gucke, was da ist und was noch nicht da ist. Bei einem 1600 Seiten starken Text geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Messlatte sind der Konventsbeschluss vom September 2014 und der Beschluss des Bundesparteitages vom Dezember 2015.

node:vw-infobox

Hier geht es zur deutschen Übersetzung der Vorlage für das Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada.

Autor*in
Yvonne Holl

ist Redakteurin für Politik und Wirtschaft.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare