Belarus: SPD-Abgeordnete für schärfere Sanktionen gegen Lukaschenko
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Was ist genau passiert?
Am Sonntag vor Pfingsten startete ein Ryanair-Passagierflugzeug mit rund 170 Passagier*innen von Griechenland nach Litauen. Doch kurz nach dem Start wurde die Maschine über Belarus zur Landung gezwungen – die Luftwaffe des Staates soll damit gedroht haben, das Flugzeug abzuschießen. Nach der Landung wurden der Blogger Roman Protasevich und seine Freundin verhaftet. Er gilt als Kritiker und Oppositioneller des Regimes von Alexander Lukaschenko und lebt im Exil.
Wie wurde die Aktion begründet?
Es soll eine Bombendrohung der radikalislamischen Hamas gegen das Flugzeug gegeben haben – behauptet die Regierung in Belarus. Des Weiteren heißt es aus Minsk, der Pilot des Flugzeugs habe selbst darüber entschieden, die Maschine zu landen, nachdem er über die Drohung informiert worden war – ohne militärische Drohungen seitens Belarus.
Die Erklärungen halten EU und Bundesregierung für unglaubwürdig, auch die Hamas bestreitet die Bombendrohung. Unklar ist auch, inwiefern Russland in den Vorfall verstrickt sein könnte - Lukaschenko sieht den Kreml und Putin als engen Verbündeten.
Wie reagieren die europäischen Staaten?
Mit einer Sperrung der europäischen Flughäfen für belarussische Flugzeuge – vor allem der Airline Belavia. Auch der belarussische Luftraum soll von europäischen Fluggesellschaften nicht mehr durchquert werden – damit fallen Einnahmen für Überflugrechte weg.
Auf einem ohnehin angesetzten EU-Sondergipfel wurden weitere Verschärfungen bereits bestehender Sanktionen beschlossen, die vor allem Unterstützer*innen des Regimes und das direkte Umfeld von Alexander Lukaschenko betreffen. Erste Sanktionen waren schon in Kraft, seitdem Lukaschenko sich eigenmächtig zum Wahlsieger der vergangenen Wahl erklärt, Oppositionelle verhaftet und Proteste gewaltsam niedergeschlagen hatte. „Diese
„Was Alexander Lukaschenko getan hat, ist an Niedertracht kaum zu überbieten“, kritisierte Außenminister Heiko Maas (SPD) scharf und nannte das Manöver einen „dreifachen Angriff“ – auf die Sicherheit des Luftverkehrs, die Pressefreiheit und die Gefährdung von über 170 Passagiere an Bord. „Das kann die internationale Gemeinschaft nicht durchgehen lassen.“
Was sagt konkret die SPD-Spitze?
Neben Heiko Maas verurteilte auch die Parteispitze das Abfangmanöver der Luftwaffe und die Verhaftung von Protasewitsch – auch Parteichef Norbert Walter-Borjans befürwortet scharf, deutliche Sanktionen gegen Belarus wie sie jetzt getroffen wurden. Der Europaabgeordnete Jens Geier forderte außerdem, dass die internationale Zivilluftfahrtorganisation einen Verstoß gegen geltendes internationales Recht prüfen solle. Auch andere SPD-Europaabgeordnete brachten am Mittwoch weitere Sanktionen ins Gespräch, Norbert Neuser sprach von Staatsterrorismus, Dietmar Köster von Staatspiraterie.
SPD-Außenexperte Nils Schmidt sieht in der Aktion eine deutliche russische Handschrift, sagte er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die ganze Operation trägt die Handschrift einer russischen Spezialoperation“, so Schmidt mit Verweiß auf die bekannte enge Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten der beiden Staaten.
Außerdem pocht Johannes Schraps als Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion auf eine schnelle und effektive Umsetzung der beschlossenen Sanktionen. „Das ist ja immer die Schwierigkeit bei Sanktionen: Man kann die zwar beschließen, die praktische Umsetzung ist aber dann oft mit Hindernissen verbunden“, erklärte er im Gespräch mit dem „vorwärts“. Verbunden werden sollen die Sanktionen aus seiner Sicht auch mit konkreten Forderungen, explizit dass politische Gefangene wie Protasewitsch freigelassen werden sollen. „Man sollte die vielen anderen, die in den Gefängnissen sitzen, nicht vergessen.“
Von welchen Gefangenen ist dabei die Rede?
Der Staatsapparat um Lukaschenko hatte vor und nach den Wahlen zahlreiche politische Aktivist*innen, Politiker*innen und kritische Journalist*innen verhaften und einsperren lassen. Wochenlang ging die Polizei gewaltsam gegen die Bevölkerung vor, die für demokratische Wahlen und gegen die Manipulation des Wahlergebnisses protestiert hatten.
Für diese Menschen will Schraps auch die Unterstützung aufrecht erhalten. Viele Bundestags-Abgeordnete, erklärt Schraps weiter, hatten nach den Protesten „Patenschaften“ übernommen, um die demokratische Opposition in dem Land zu unterstützen, auch finanziell. Schraps selber unterstützt beispielsweise den inhaftierten Pavel Yukhnevich der Gruppe „European Belarus". Yukhnevich sitzt ebenfalls im Gefängnis. „Die Aufmerksamkeit für diese Menschen müssen wir aufrecht erhalten“, so der Sozialdemokrat.