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Barley und Bullmann: Zwei für Europa

Bundesjustizministerin Katarina Barley und der Chef der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Udo Bullmann, sollen die Partei bei den Europawahlen im nächsten Jahr zum Erfolg führen. Was wollen beide in Europa erreichen? Ein Gespräch.
von Johanna Schmeller · 22. Oktober 2018

Was führt Sie persönlich nach Brüssel?

Katarina Barley: Als Tochter eines Briten und einer Deutschen haben mich meine beiden Staatsangehörigkeiten geprägt. Mein Leben ist überhaupt erst möglich durch dieses freie, friedliche, grenzenlose Europa. Ich gehöre zur ersten Generation, die mit Erasmus im Ausland studieren konnten. Das ist nicht selbstverständlich: Europa und die Europäische Union sind heute bedroht wie seit 60 Jahren nicht mehr. Deswegen brauchen wir eine starke Sozialdemokratie im europäischen Parlament.

Udo Bullmann: Ich bin nach Brüssel gekommen, weil ich der festen Überzeugung war, dass hier unsere Zukunft liegt. Nach Jahren der ehrenamtlichen politischen Arbeit und als „Jean-Monnet-Professor für European Studies“ wollte ich im Europäischen Parlament diese Zukunft aktiv gestalten. Wir können heute die Herausforderungen der Zeit wie den Klimawandel und die Digitalisierung nicht mehr alleine, sondern nur noch gemeinsam bewältigen.  

Was bedeutet Ihnen Europa?

Barley: Europa ist mein Leben und meine Leidenschaft. Meine Familie ist europäisch. Meine beiden Söhne haben Großeltern aus vier verschiedenen europäischen Staaten. Ich bin mit verschiedenen Sprachen am Küchentisch großgeworden und mein Bundestagswahlkreis liegt im Vier-Länder-Eck, wo das Überqueren von Grenzen Alltag ist. Ich habe in Frankreich studiert und mich fast mein ganzes Berufsleben mit europapolitischen und rechtlichen Fragen beschäftigt.

Bullmann: Europa ist mein Herzensthema. Ich pendele zwischen Brüssel, Straßburg, Frankfurt und Berlin, reise ständig durch Europa. Von jeder Reise kommst Du reicher zurück. Jüngst habe ich die Region Mati in Griechenland besucht, in der im Sommer Waldbrände 99 Menschenleben gekostet haben. Die EU-Katastrophenhilfe, die wir mobilisieren, hat noch Schlimmeres verhindert. Das bedeutet Europa, davon brauchen wir mehr.    

Wie haben Sie Ihre bisherigen ­beruflichen Stationen auf die neue Herausforderung vorbereitet?

Barley: Ich bin Justiz- und Verbraucherschutzministerin. Sie werden kaum ein europäischeres Ministerium finden. Sei es bei Themen wie Datenschutz, Verbraucherrechte oder dem grenzüberschreitenden Austausch von Justizbehörden – das alles ist täglicher Bestandteil meiner Arbeit. Nach meinem Jurastudium habe ich im Europarecht promoviert und lange im diesem Bereich gearbeitet. Und nicht zuletzt vertrete ich wie gesagt den vielleicht internationalsten Bundestagswahlkreis in Berlin.

Bullmann: Ich leite die Sozialdemokratische Fraktion mit 188 Abgeordneten aus allen EU-Mitgliedstaaten. Gemeinsam kämpfen wir jeden Tag dafür, dass ein soziales Europa frei und demokratisch bleibt und sich den Menschen wieder stärker zuwendet. Als früherer Sprecher der Fraktion in Wirtschafts- und Währungsfragen und als SPD-Delegationsleiter habe ich mit dafür gesorgt, dass wir Bankerboni deckeln und Hedgefonds kontrollieren, Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen und gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort durchsetzen.

Welche Schwerpunkte möchten Sie künftig setzen?

Barley: Die Europawahl 2018 ist die vielleicht wichtigste Wahl dieses Jahrzehnts. Hier wird sich entscheiden, in welche Richtung unser Kontinent geht. Setzen wir auf Zusammenarbeit und Solidarität – oder Überlassen wir Egoisten und nationalen Scharfmachern das Feld? Letzteres darf nicht passieren. Bereits 1925 hat die SPD das Ziel der „Vereinigten Staaten von Europa“ in ihr Programm geschrieben. Unsere Geschichte wäre anders verlaufen, hätte man damals auf die Sozialdemokratie gehört. Heute müssen wir Europa stärken – gegen Feinde im inneren Europas, aber auch gegen mächtige Gegner von außen. Deshalb will ich die Europäische Union noch besser machen. Europa soll sozialer, bürgernäher und transparenter werden. Ich arbeite seit vielen Jahren für das bessere Europa, so wird es auch in der Zukunft sein.

Bullmann: Wir kämpfen im Europaparlament dafür, die Europawahlen vor Einflussnahme durch Fake News zu schützen. Rechtspopulisten wie Viktor Orbán oder Steve Bannon wollen Europa zerstören. Auf die Konservativen und mit ihnen CDU/CSU ist kein Verlass mehr, wenn es um Europa geht. Wir müssen die Gründe bekämpfen, die zum Aufstieg von Populisten geführt haben. Wir müssen Antworten auf die wirklichen Probleme geben. Zu diesen Antworten gehören eine Grundsicherung für Kinder, die Zugang zu kostenloser Bildung und Medizinversorgung ermöglicht, umweltschonender und bezahlbarer Wohnungsbau und eine Wirtschaft, die Wachstum, Sozialstandards und Umweltschutz auf Nachhaltigkeit trimmt. Damit werden wir gerade junge Menschen gewinnen und wieder zur bestimmenden politischen Kraft in Europa werden. 

Katarina Barley ist Bundesjustizministerin.
Udo Bullmann ist Vorsitzender der ­Sozial­demokratischen Fraktion im Europäischen Parlament und Europa­beauftragter des SPD-Parteivorstandes.

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