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Außenminister Gabriel appelliert an „Friedensverantwortung der Religionen“

Sigmar Gabriel (SPD) hat die Verantwortung von Religionsgemeinschaften für den Frieden betont. Erstmals hat der Außenminister rund 100 Vertreter von Religionen zu einer Konferenz ins Außenamt eingeladen. Dabei geht es auch darum, warum Religionen viel vom Frieden reden, aber oft das Gegenteil praktizieren.
von Lars Haferkamp · 22. Mai 2017
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Wenn Religionen in den Nachrichten auftauchen, dann geht es selten um Frieden und Toleranz, sondern oft um Radikalisierung und Gewalt, um Terror und Krieg. Wer den Frieden sicherer machen will, kommt also nicht darum herum, sich mit Religionen und ihrem Einfluss auseinanderzusetzen.

Gabriel: Religion hat wachsenden Einfluss

Das dachte sich wohl auch Außenminister Sigmar Gabriel, als er am Montag erstmals Religionsvertreter ins Auswärtige Amt einlud. „Religion hat großen, weltweit steigenden Einfluss auf Gesellschaft und Politik. Dies kann ich nach wenigen Monaten als Außenminister auch aus den Erfahrungen meiner Gespräche und Reisen bestätigen“, so Gabriel vor Konferenzbeginn im „Tagesspiegel“.

Auf der dreitägigen Konferenz im Auswärtigen sollen nun die Friedenspotenziale der Glaubensgemeinschaften und ihre gesellschaftliche Verantwortung besprochen werden. An der Konferenz nehmen rund 100 Vertreter von Religionsgemeinschaften aus Nord- und Westafrika, dem Nahen und Mittleren Osten und Europa teilt.

Der Außenminister mahnt zum Frieden

Bei der Eröffnung am Montag verwies Sigmar Gabriel auf die grundsätzlich positiven Aussagen aller Religionen zu Frieden. „Ich zumindest kenne keine Religionsgemeinschaft, die in ihren geschriebenen oder überlieferten Ideen sich nicht genau das zum Ziel macht, nämlich Frieden zwischen Menschen und vor allen Dingen mit Gott zu schaffen.“

Dem widerspreche jedoch der Missbrauch von Religion zu machtpolitischen Zwecken und die Rechtfertigung von Gewalt durch Religion. „Oftmals sind es Religionen, die im Zentrum von Konflikten stehen, und sei es auch nur, weil sich hinter dem Begriff der Religion, des Religiösen, ganz andere Interessen verstecken und diese Identität nur missbrauchen, um in Wahrheit politische Machtansprüche durchzusetzen“, so Gabriel.

Gabriel: Nicht zur Radikalisierung beitragen

Er appellierte an die Verantwortung der Religionen, „nicht zur Spaltung, Radikalisierung und zu Konflikten beizutragen“. Direkt an die Religionsvertreter gerichtet sagte Gabriel: „Ich mute Ihnen diese Verantwortung zu, die man vielleicht auch manchmal nicht übernehmen möchte, weil sie so groß ist. Ich bin aber überzeugt, dass Religionen diese Verantwortung wahrnehmen müssen und auch können. Ich habe Vertrauen in das Friedenspotenzial der Religionen“. Der Außenminister ergänzte: „Wer nur das Stereotyp pflegt, dass Religion stets konfliktverschärfend wirkt, begeht aus meiner Sicht einen großen Fehler. Der blendet dann die Komplexität und ambivalente Wirkung von Religion schlichtweg aus.“

Nach Gabriel nahmen Religionsvertreter Stellung. So betonte der Großmufti in Bosnien und Herzegowina, Reis-ul-ulema Husein Kavazovic aus Sarajevo, dass der Islam zum Frieden aufrufe. Er kritisierte zugleich wachsende Radikalisierungen in der islamischen Welt. Nach dem Koran dürfe es jedoch „keinen Zwang im Glauben und keine Übertreibung in der Ausübung der Religion“ geben, stellte der Großmufti klar.

Religion als Teil der Lösung oder des Konfliktes

Der Jerusalemer Oberrabbiner David Rosen führte den häufigen Missbrauch von Religion darauf zurück, dass diese auch der Abgrenzung und Identitätsfindung gesellschaftlicher Gruppen diene. Er empfahl der Politik, Religionen stärker bei ihren Friedensbemühungen einzubinden. „Wenn wir nicht wollen, dass Religionen Teil des Konflikts bleiben, müssen sie zum Teil der Lösung gemacht werden“, so Rosen.

Mit der Konferenz zur „Friedensverantwortung der Religionen“ führt das Auswärtige Amt zum ersten Mal einen engen und organisierten Austausch mit Repräsentanten von Religionsgemeinschaften aus einer Vielzahl von Ländern und Regionen durch. Die Perspektive der Religionen soll die außenpolitischen Kompetenzen der Diplomaten erweitern, um religiös motivierte oder legitimierte Konflikte besser erkennen und lösen zu können. Langfristig will das Auswärtige Amt Religionsgemeinschaften, die sich für Frieden und Stabilität einsetzen, als strategische Partner für ein tragfähiges Netzwerk gewinnen.

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