Auch mit Japan: Rechte von Arbeitnehmern bei Freihandelsabkommen sichern
Herr Lange, das EU-Handelsabkommen mit Japan steht aktuell in der Kritik. Zu Recht?
Ja. Es gibt zu wenig Transparenz. Und Japan hat derzeit beispielsweise zwei der acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) noch nicht ratifiziert: das Verbot von Zwangsarbeit, da hat Japan Bedenken, weil es auch seine Gefangenen arbeiten lässt und das Diskriminierungsverbot.
Sie haben sich mit dem Schutz von Arbeitnehmerrechten bei Freihandelsabkommen beschäftigt und ein Modellkapitel verfasst. Was kann man sich darunter vorstellen?
Gemeinsam mit Kollegen der Friedrich-Ebert-Stiftung Asien und dem Juristen Peter-Tobias Stoll habe ich dieses Kapitel mit dem Ziel verfasst, den Schutz von Arbeitnehmerrechten in zukünftigen EU-Handelsabkommen zu sichern. In erster Linie geht es dabei um Ratifizierung und Umsetzung der acht ILO-Kernarbeitsrechte, insbesondere um das Streikrecht und Organisationsrecht, also die Möglichkeit gewerkschaftlicher Mobilisierung und kollektiver Verhandlung. Und es geht natürlich auch um die Frage der Durchsetzbarkeit. Wir müssen auch Mechanismen haben, um diese Rechte einzuklagen.
Was schlagen Sie vor?
Um das Mitwirken von Sozialpartnern im Verhandlungsprozess zu sichern, sollen sogenannte Domestic Advisory Groups eingerichtet werden, die die Umsetzung begleiten. Dieses System gibt es bereits heute, allerdings mit großen Schwächen in der Umsetzung. Ich schlage vor, die Rechte dieser Gruppen zu stärken. Sie sollen im Fall einer Auseinandersetzung einen Panel of Experts mit Beteiligung der ILO anrufen, ohne auf die Unterstützung der Europäischen Kommission oder des Partnerlandes zu warten. Es soll dann natürlich auch das Recht geben, bei Nichteinhaltung der Entscheidung zu klagen.
Beim Freihandelsabkommen CETA gab es immer wieder Kritik, weil Sozialklauseln festgeschrieben waren, aber die Instrumente zur Umsetzung fehlten. Man sprach von folgenlosen Papiertigern. Welche Möglichkeiten der Sanktionen gibt es?
Unserer Meinung nach soll es auch die Möglichkeit einer monetären Entschädigung geben, wenn es zu Verurteilungen kommt. Diese sollen einem Fonds zukommen, der Projekte zur Verbesserung der Situation finanziert. Das ist sinnvoller als darüber zu diskutieren, ob der Handel mit bestimmten Gütern eingeschränkt wird.
Wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, dass dieses Arbeitskapitel vom EU-Parlament abgesegnet wird?
Die Vorschläge sind nicht aus der Luft gegriffen. Sie sind zum Teil schon Bestandteil anderer Abkommen oder bewegen sich im Kontext von internationalem Recht. Die vorliegenden Überlegungen sind der Versuch, aus verschiedenen Modellen das Beste heraus zu kristallisieren. Und jetzt müssen wir die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten davon überzeugen, dass das ein sinnvoller Ansatz ist.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Es wird jetzt einen breiten Dialog geben, zudem nun ein großer Ausgangspunkt gesetzt wurde. Ich schätze, dass sich die Kommission in der zweiten Jahreshälfte entscheiden wird.
Würde das Modell dann auch für das Abkommen mit Japan gelten? Derzeit klingt es ja so, dass dies zu Beginn des G20-Gipfels kommen soll.
Selbst wenn es in der kommenden Woche zu einer politischen Übereinkunft kommen sollte, wäre das nur ein Rahmen, aber noch kein Text. Der wird frühestens Ende des Jahres fertig sein. Und da kann schon noch der Hase im Pfeffer liegen. Ein Abkommen ist wünschenswert, aber nur ein gutes Abkommen mit starken Arbeitnehmerrechten kann eine Mehrheit im Parlament finden.
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hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.