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Argentinien kämpft mit Sputnik gegen Rezession und Corona

In Argentinien kamen die ersten Impfdosen schon an Heiligabend. Das Südamerikanische Land ist eines der Länder, die früh auf eine Kooperation mit Russland setzten und den Corona-Impfstoff Sputnik V als Impfstoff im großen Stil bestellten. Eine politisch umstrittene Entscheidung.
von Svenja Blanke · 4. Februar 2021
Wichtige Lieferung: In Argentinien wird seit einigen Wochen der russische Corona-Impfstoff „Sputnik V“ verabreicht.
Wichtige Lieferung: In Argentinien wird seit einigen Wochen der russische Corona-Impfstoff „Sputnik V“ verabreicht.

Die erste Ladung Impfdosen aus Russland kam Heiligabend an. Insgesamt wurden bisher 820.000 Dosen geliefert. Argentinien ist mit seinen 44,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern und als G20-Mitglied weltweit das erste große Land, das in dieser Impf-Anfangsphase auf eine pragmatische Kooperation mit Russland setzt. Der argentinische Präsident Alberto Fernandez ließ sich am 21. Januar 2021 mit Sputnik V impfen, er ist damit der erste gegen Corona geimpfte Staatschef Lateinamerikas.

Bereits im Juli 2020 hatte die argentinische Regierung einen Zeitplan für die Produktion und logistische Verteilung von Anti-Corona-Wirkstoffen angekündigt. Doch die Testphasen von AstraZeneca zogen sich hin, die ersten Lieferungen – so wurde bald klar – würden erst im März 2021 erwartet. Argentinien brauchte einen ergänzenden Impfplan, wenn es seiner Bevölkerung nicht wieder einen monatelangen Lockdown – wie im Herbst/Winter 2020 – ab April 2021 zumuten wollte.

„Wir hatten eine Anfrage des russischen Außenministeriums und des russischen Staatsfonds, ob Argentinien interessiert sei, den Impfstoff im Dezember zu bekommen. Selbstverständlich haben wir Ja gesagt“, so der argentinische Staatschef in einer Presseerklärung, „Wir wollen garantieren, dass es für alle Argentinier Impfungen gibt.“

Keine Scheuklappen bei den Verhandlungen

Die Ankunft der Covid-19-Impfstoffe markiert also den Beginn einer neuen Phase der Pandemiebekämpfung. Argentinien versucht sich selbst zu helfen und verhandelt mit verschiedenen Firmen und Ländern. Unterzeichnete Abkommen gibt es bisher mit Gamaleya, dem russischen Institut, und mit Astra Zeneca. Und es werden weitere Abkommen mit Pfizer, Moderna, Johnson & Johnson und China verhandelt. Die Gespräche mit China zielen auf den Kauf von einer Millionen Sinopharm-Dosen, mit der Option 30 Millionen Dosen zusätzlich zu erwerben. Der definitive Abschluss hängt am Preis, man verlangt laut Presse doppelt so viel wie die Russen.

Die Ankunft des russischen Impfstoffs war die Hauptnachricht auf allen Kanälen des Landes. Einerseits, weil die Hoffnung besteht, dass ein Ende der Pandemie zumindest in Sichtweite ist. Diese Ansicht herrscht in der Regierung vor, aber auch bei dem Anteil der Bevölkerung, der die aktuelle Regierung unterstützt. Andererseits ist diese Entscheidung umstritten, weil die liberal-konservative Opposition den Ausverkauf an den Autokraten Putin und intransparente Forschungsergebnisse fürchtet – oder auch schlicht die „Kommunisten“. Die deutliche politische Polarisierung des Landes macht vor dem Einkauf von Impfstoffen nicht halt. Russlands Geostrategie reicht bis an den Rio de la Plata. Doch der Westen sollte nicht glauben, dass Argentinien leichtgläubig handele. Von der Peripherie aus, in der es enorme Probleme zu meisten gilt, sieht die Welt anders aus als aus dem Zentrum. Durch die hohe Wirksamkeitsbescheinigung des Fachblatts „The Lancet“ vom 2. Februar 2021 sieht sich die argentinische Regierung in ihrer Taktik bestätigt.

Auch Russland hat Lieferschwierigkeiten

Doch auch die Lieferung des Sputnik-Impfstoffs läuft nicht nach Plan. Im Januar 2021 sollten bereits fünf Millionen Impfdosen im Land sein. Real im Land vorhanden sind 820 000 Dosen, geimpft wurden bisher mit der ersten Dosis 280 000 Personen, mit der zweiten 65 000 Personen (Stand 29. Januar 2021). Die Kooperation mit AstraZeneca war von Anfang an strategisch gedacht, da Argentinien selbst Teil des Produktionsprozesses ist. Argentinische Labore werden nach diesem Plan den Impfstoff herstellen und Mexiko wird dann – in einer Art bilateralen Zusammenarbeit – die Verpackung und den Versand übernehmen. Doch ob der Zeitplan – erste Lieferungen im März 2021 – eingehalten werden kann, ist fraglich.  

Die argentinische Regierung arbeitet an mindestens vier Fronten gleichzeitig: am Engpass bei den Impfstoff-Lieferungen (egal ob Russland oder AstraZeneca), an der enormen Logistik im flächenmäßig achtgrößten Land der Welt, den hohen Erwartungen der Bevölkerung, die bereits vor Corona auf dem Zahnfleisch ging, und – nicht zu vergessen – die Bekämpfung der Rezession und einer Inflation von 40 Prozent. Corona bedeutet für das in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht hochnervöse Argentinien eine noch schnellere Umdrehungsfrequenz.

An der Engpassfront wird seit dem 1. Februar 2021 eine neue Strategie angeboten. Um die Lieferung und die Impfungen anzukurbeln, soll nun der Sputnik-Impfstoff direkt in Argentinien produziert werden. Ein Abkommen mit Russland wird gerade vorbereitet.

Dieser Artikel erschien zuerst im IPG-Journal.

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Svenja Blanke

ist Leiterin des FES-Büros in Argentinien. Von 2014 bis 2019 war sie Leiterin des Referats Lateinamerika/Karibik der FES in Berlin.

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