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ARD-Wahlarena: Weber setzt auf Phrasen, Timmermans auf progressive Politik

In der ARD-Wahlarena stellen sich am Dienstagabend Sozialdemokrat Frans Timmermans und der konservative Spitzenmann Manfred Weber den Fragen von 100 Bürgerinnen und Bürgern zur Europawahl. Der Niederländer Timmermans kann beim Publikum punkten und bekommt mehrfach kräftigen Applaus.
von Jonas Jordan · 7. Mai 2019
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Nach 90 Minuten ist das Duell in der Arena vorbei. Es steht Unentschieden zwischen Frans Timmermans und Manfred Weber. Die Spitzenkandidaten der großen Parteienfamilien zur Europawahl haben beide etwas mehr als 23 Minuten Redezeit für sich beansprucht. Rein quantitativ ein gleiches Duell am Dienstagabend zur besten Sendezeit in der ARD. Doch qualitativ gelingt es dem niederländischen Sozialdemokraten Timmermans deutlich besser, inhaltliche Akzente zu setzen.

Timmermans fordert Wahlrecht ab 16

Der konservative Spitzenkandidat Manfred Weber – CSU-Mann, 48-Jahre, aus Niederbayern – greift hingegen häufig auf inhaltsbereinigte Phrasen zurück. Das wird schon bei Webers erstem Redebeitrag deutlich. Ein 19 Jahre alter Mann aus dem Publikum fragt, wie angesichts eines Durchschnittsalters von 55 Jahren die Interessen junger Menschen im Europaparlament abgebildet werden sollen. „Erneuerung ist ein dauernder Prozess“, antwortet der Konservative nichtssagend. 

Konkreter wird es bei Frans Timmermans. Er fordert ein Wahlrecht ab 16 Jahren und sagt zur Begründung: „Sie wissen schon, was sie wollen. Wir sehen das in Deutschland bei den Jusos. Ich glaube, wir werden ein paar ganz junge Leute ins Europaparlament bekommen.“ Timmermans meint beispielsweise die stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende Delara Burkhardt, die mit Platz fünf aussichtsreich auf der SPD-Liste kandidiert. Mit 26 Jahren könnte sie im künftigen Europaparlament eine der jüngsten Abgeordneten sein. 

Weber gegen transnationale Listen

Ein Wahlrecht ab 16 Jahren würde Weber zumindest diskutieren wollen. Transnationale Listen zur Europawahl lehnt er dagegen ab. Die Entscheidung über Listen sollte möglichst bürgernah und nicht von „irgendwelchen Delegierten in Brüssel“ getroffen werden. Eine Aussage, die leicht wie ein Bumerang zum Niederbayern zurückfliegt. Gerade einmal ein halbes Jahr ist es her, dass Weber zwar nicht in Brüssel, sondern im finnischen Helsinki von Delegierten der Europäischen Volkspartei (EVP) zum Spitzenkandidaten für die Europawahl gekürt wurde.

Auch bei anderen Themen zeigt sich die gleiche Konstellation: Timmermans macht progressive Vorschläge, Weber mauert. Beispielsweise wenn es um den Klimaschutz geht. Der Niederländer fordert, dass die EU bis 2050 klimaneutral werden müsse, während sich Weber um Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie sorgt. Timmermans drängt daher: „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Je länger es dauert, desto mehr Arbeitsplätze kostet es. Wenn wir noch fünf Jahre warten, ist der Klimaschutz verloren. Bei Linken, Grünen und Sozialdemokraten klappt das gut. Nur die EVP sind eher Dinos.“

Europäische Solidarität durch Arbeitslosenrückversicherung

Auch drängt der Sozialdemokrat auf die Einführung einer „europäischen Arbeitslosenrückversicherung“. Gemeint ist ein Fonds, auf den Länder in einer wirtschaftlichen Notsituation zurückgreifen könnten, um ihre Sozialsysteme zu finanzieren. Bei wirtschaftlichem Aufschwung sollten sie das Geld in den Fonds zurückzahlen. „Das ist wirkliche europäische Solidarität“, sagt Timmermans. Weber bewfürchtet, das könne dazu führen, „dass keiner mehr Verantwortung übernimmt“.

Einig sind sich die beiden zumindest in der Frage der Parität. Beide wollen – sollten sie nach dem 26. Mai Kommissionspräsident werden – die künftigen Kommissarsposten zu 50 Prozent mit Frauen zu besetzen. „Es wäre schön, wenn es auch mal eine Kommissarin aus Deutschland gäbe“, fügt Timmermans noch hinzu.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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