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Anschlag in Brüssel: Mehr Fragen als Antworten

Das öffentliche Leben in Brüssel ist gestoppt. Keine Flüge, keine U-Bahnen und Busse, keine Züge mehr. Im EU-Parlament allerdings geht die Arbeit weiter – und einige Parlamentarier beginnen bereits, unbequeme Fragen zu stellen. Fragen, die Europa in den nächsten Tagen erörtern muss. Eine persönliche Momentaufnahme.
von anonymer Autor · 22. März 2016

U-Bahn  geschlossen, Straßen gesperrt, Polizei überall: Am Dienstagmittag liegt eine gespenstische Stimmung über dem Brüsseler Europaviertel. Wenn gerade keine Sirenen oder Hubschrauber zu hören sind, ist es verdächtig still am Schuman-Kreisel, an dem die Gebäude von Kommission, Rat und dem Auswärtigen Dienst der EU liegen. Fast jeder, der hier arbeitet oder wohnt, hat die U-Bahn schon benutzt, die unter der breiten Einfallstraße Rue de la Loi liegt. Nahe der Station Maelbeek, die nur ein paar hundert Meter entfernt liegt, ist es passiert. Der zweite Anschlag an diesem Tag. Viele, die man trifft, sind auch heute Metro gefahren und nicht wie der Verfasser mit dem Rad. Vielleicht ein paar Minuten früher als die Opfer, es hätte sie auch treffen können. Die Empfangshalle des Flughafens, in der sich der erste Attentäter in die Luft gesprengt hat, kennt natürlich auch jeder. Wie es Sicherheitsexperten bei einem EU-weiten Treffen nach den Anschlägen in Paris vorausgesagt haben, sind wieder „weiche Ziele“ betroffen, also Bereiche jenseits der Sicherheitskontrollen.

Die Arbeit geht weiter

Kurz nach dem zweiten Anschlag wird das öffentliche Leben in Brüssel praktisch gestoppt. Keine Flüge, keine U-Bahnen und Busse, keine Züge mehr. So war es schon einmal nach den Pariser Anschlägen: Alarmstufe 4. Aber kein Land kann einen totalen Stillstand lange durchhalten. Warum die Alarmstaufe aber vergangene Woche nicht erhöht wurde nach der Festnahme des lange gesuchten Salah Abdeslam aus der Brüsseler Kommune Molenbeek, gehört zu den vielen Fragen, die in den nächsten Tagen erörtert werden müssen. Eine andere, sehr europäische Frage ist die, die Parlamentarier wie der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok stellen: Warum zum Teufel stellen immer noch nur die Sicherheitsdienste aus fünf der 28 Staaten ihre Informationen aus Terrorermittlungen komplett Europol zur Verfügung? Deutschland sei nicht darunter, kritisiert Brok.

An Broks Arbeitsplatz, dem Parlament, geht die Arbeit weiter. Das ist gewollt. „Genau das wollen die Terroristen, dass wir nicht weitermachen. Aber das Leben und die Arbeit müssen weitergehen“, sind sich die Abgeordneten im Wirtschaftsausschuss einig. Dort finden Anhörungen statt, erst der Chefin der Eurozonen- Bankenaufsicht, Danièle Nouy, und dann ihres für die ganze EU zuständigen Kollegen Andrea Enria. Auch wenn es schwer fällt, sich zu konzentrieren, wie viele Abgeordnete sagen, bevor sie ihre Fragen stellen. Mittags stehen Soldaten vor dem Haupteingang, von denen am Morgen noch nichts zu sehen war. Wenig später werden die Flaggen auf halbmast gesenkt.

Nicht mehr sicher

Das Mobilfunknetz in der belgischen Hauptstadt ist ständig überlastet. Jeder will wissen, ob Familienangehörige oder Bekannte, die in der Nähe der Anschlagsorte waren, betroffen sind. Freunde von außerhalb erkundigen sich, ob man in Sicherheit ist. Zumindest fürs erste haben die Terroristen ein Ziel erreicht: Viele fühlen sich in ihrer Stadt Brüssel nicht mehr wirklich sicher.

Der Autor ist Mitarbeiter der EU-Institutionen in Brüssel und der Redaktion namentlich bekannt.

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anonymer Autor

Der Autor arbeitet in Brüssel für die EU-Institutionen.

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