vorwärts.de: Wie gefährlich ist die Griechenlandkrise für die Eurozone?
Max Otte: Wenn Griechenland den Staatsbankrott erklären müsste und es fänden in diesem Zusammenhang keinerlei Stützungsaktionen statt, wäre das in der Tat ein zweiter Schock in der Größenordnung von Lehman. Allein die deutschen Banken sind laut "Spiegel" in Griechenland mit 31,8 Milliarden Euro engagiert. Jedoch: Ein Staatsbankrott ohne jegliche Unterstützung ist unwahrscheinlich; so klug sind die Regierungen.
Warum kann Athen nicht einfach zur Drachme zurückkehren, dann seine Währung abwerten und wieder auf die Beine kommen?
Ich würde in der Tat dafür plädieren, die Währungsunion bei etlichen Ländern rückgängig zu machen. Ökonomisch und technisch wäre das ohne weiteres möglich. Damit gewönnen diese Länder mehr wirtschaftspolitische Autonomie; auch die Demokratie würde gestärkt. Ein positiver Nebeneffekt wäre, dass diese Länder ihre Waren dann günstiger anbieten könnten.
Wie kann Europa Griechenland helfen?
Eine Rückkehr zur Drachme wird wohl nicht stattfinden. Die jetzige Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche ist ökonomisch sinnvoll: Man zwingt Griechenland, das zweifelsohne über seine Verhältnisse gelebt hat und auch korrupte Züge in der Wirtschaft aufweist, zu sparen. Gleichfalls ist stillschweigend wohl sichergestellt, dass man keinen Staatsbankrott zulassen, sondern helfen wird.
Was halten Sie von der Idee eines Europäischen Währungsfonds?
Ein solcher Fonds würde in europäischem Rahmen das machen, was der IWF derzeit für die ganze Welt macht. Es ist reines politisches Prestigedenken, diese Aufgaben duplizieren zu wollen. Wenn der Fonds aber käme, wäre die ursprüngliche Idee der Europäischen Währungsunion überholt, denn diese ging davon aus, dass die Staaten eben ihre Wirtschafts- und Währungspolitik angleichen, so dass ein solcher Fonds nicht nötig ist.
Hilft es, wenn man den Handel mit Kreditausfallbürgschaften und ungedeckten Leerverkäufen verbietet?
Im Rahmen einer umfassenden Finanzmarktregulierung ist das sicher ein Baustein. US-Superinvestor Warren Buffett hat die Finanzderivate schon 2002 als "finanzielle Massenvernichtungswaffen" bezeichnet. Sie helfen dem internationalen Finanzkapital Krisen zu verschärfen, indem sich alle wie Wölfe auf ein Opfer stürzen. Warum spekuliert denn kaum einer gegen Spanien, Portugal, Irland oder die USA, wo die Defizite ähnlich hoch sind? Nein, die Wolfsstrategie funktioniert nur, wenn man sich ein Opfer sucht. Davon abgesehen: Griechenlands Krise ist zunächst einmal selbstverschuldet.
Kann es Athen bis 2012 schaffen, die Neuverschuldung auf drei Prozent zu reduzieren?
Nie und nimmer. Aber ein Anfang muss gemacht werden.
Max Otte ist Professor für Internationale Betriebswirtschaft und Außenwirtschaft an
der Fachhochschule Worms. Schon 2006 warnte er mit seinem Buch
"Der Crash kommt" vor der Krise.