Die dreiundzwanzig Millionen Ghanaer sind stolz auf ihr Land. Die ehemalige Goldküste war die erste Kolonie, die durch eigenes Bestreben ihre Unabhängigkeit von den Europäern durchsetzen konnte - bereits im Jahr 1957 von Groß Britannien. Und auch die darauf folgende Zeit der Diktatur mündete schließlich 1991 in eine weltweit beachtete Demokratie, die gerade eine wichtige Bewährungsprobe bestanden hat.
Wahlen bis Ende Dezember
Am 7. Dezember gelang es der Oppositionspartei Nationaler Demokratischer Kongress (NDC) bei den Parlamentswahlen die Mehrheit der Stimmen auf sich zu vereinen und auch ihr Kandidat für das Amt
des Präsidenten, John Atta Mills, lag mit nur 1,2 Prozent äußerst knapp hinter dem Kandidaten der Regierungspartei, Nana Akufo-Addo, von der Neuen Patriotischen Partei (NPP). Die beiden
Spitzenkandidaten mussten sich also einer zweiten Wahlrunde stellen, der demokratische Wettbewerb wurde bis zum 28. Dezember fortgesetzt.
Dabei ging es für beide Parteien um alles oder nichts, denn der Stuhl für den Präsidenten im neu gebauten und gerade erst eingeweihten Palast in Accra kann nur von einer Person, von einer
Partei besetzt werden. Pünktlich zu den Wahlen wurde der Bau fertig, der einem Thron ähnelt. Wer hier einzieht, wird nicht nur über ein Schlüsselland in Westafrika, sondern auch über jüngst
entdeckte Ölfunde entscheiden und damit ab dem Jahr 2010 etwa 3 Milliarden US-Dollar jährlich an neuen Einnahmen verwalten können. Und das in einer weltpolitischen Lage, in der Großmächte wie die
USA, China und Europa Schlange für neue Energiequellen stehen. "Dabei müssen wir ganz vorsichtig sein," so der aus dem Amt geschiedene Präsident John Kufour, "alle möglichen
Sicherheitsvorkehrungen müssen getroffen werden, damit die gesamte Bevölkerung profitieren wird. Das sind vor allem starke Institutionen!"
Neuer Präsident am 7. Januar nach mustergültigem Wahlkampf
Der Preis war also für beide ghanaischen Parteien groß, die Anreize für eine Aufweichung demokratischer Spielregeln, für Wahlmanipulationen, für Hetzaufrufe oder gar einer weiteren Polarisierung der Bevölkerung hoch. Im vergangenen Jahr hatte Kenia vorgemacht, wie umstrittene Wahlen in blutige Auseinandersetzungen abgleiten können, hatte Nigeria gezeigt, wie sich Wahlen manipulieren lassen, hatte Simbabwe illustriert, wie massive Einschüchterungen funktionieren und auch Angola deutlich darauf hingewiesen, wie gut sich Staatsgelder im Wahlkampf machen, um der Regierungspartei einen Vorsprung zu verschaffen. Und auch innerhalb der Region bieten zahlreiche Nachbarstaaten eher Beispiele, wie Demokratie nicht funktioniert - so Burkina Faso, Togo oder die Elfenbeinküste. Und doch widerstanden die beiden Spitzenkandidaten in der ehemaligen britischen Kolonie der Versuchung. Ghana setzte ein Zeichen für Demokratie in Afrika.
Universitätsprofessor gewinnt mit nur 40000 Stimmen Mehrheit
Das Kopf-an-Kopf-Rennen fand innerhalb der demokratischen Spielregeln statt. Die zahlreichen nationalen und internationalen Wahlbeobachter gaben sich sehr zufrieden mit dem Verlauf der
Abstimmungen. Die Präsidentschaftswahlen wurden international als friedlich und transparent gelobt. Zwar musste die Unabhängige Wahlkommission die Wahl in einem Distrikt wiederholen, weil es zu
einem zu knappen Ergebnis kam. Doch konnte John Atta Mills schließlich am 2. Januar zum Sieger erklärt und fünf Tage später zum neuen Präsidenten vereidigt werden. Sein Abstand zu seinem
Konkurrenten ist der geringste, der jemals bei Wahlen in Afrika anerkannt wurde. Er lag nur bei knapp 40.000 Stimmen. Der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen und selbst Ghanaer, Kofi
Annan, sah in seinem Heimatland dann auch den Beleg dafür, dass Demokratie und ihre entsprechenden Institutionen in Afrika Fuß gefasst hätten. "Das hat auch mit einem gewissen Stolz zu tun," so
Emmanuel Gyimah-Boadi vom Ghanaischen Zentrum für Entwicklung, "die Menschen hier wollen sich unterscheiden und zeigen, dass sie nicht wie all die anderen auf unserem Kontinent sind."
Die unterlegene Nationale Patriotische Partei trug ihre Niederlage jedoch mit Würde. Im Gegensatz zu den jüngsten Beispielen aus Kenia oder Simbabwe akzeptierte sie das Ergebnis und
forderte weder eine Allparteien-Regierung noch eine Machtbeteiligung. Der alte Präsident Kufour erkannte ebenfalls an, dass sein Nachfolger nicht aus der eigenen Partei kommen würde. Kufour
durfte nach zwei Amtszeiten verfassungsgemäß nicht erneut kandidieren. John Atta Mills gab sich schließlich versöhnlich, in seiner Antrittsrede verkündete er, der Präsident aller Ghanaer sein zu
wollen und konstruktiv mit der Opposition zusammenzuarbeiten.
Nationaler Demokratischer Kongress muss Korruption bekämpfen
"Wir stehen vor einer neuen Ära für ein besseres Ghana," so Mills, "wir werden versuchen, einen breiten Konsens zu finden, meine Regierung wird allen Menschen Aufmerksamkeit schenken, auch in
den kleineren Parteien." Im Parlament verfügt sein Nationaler Demokratischer Kongress zwar über eine Mehrheit, allein regieren kann sie jedoch nicht. Die deutsche Bundesministerin für
Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul lobte: "Die Wahl in Ghana ist ein Sieg für die Demokratie. Der friedliche Verlauf der Wahl zeigt, dass sich alle Seiten demokratischen
und gewaltfreien Formen des Dialogs und des Wechsels verpflichtet fühlen."
Denn Ghana steht vor gewaltigen Aufgaben. Zwar ist die Wirtschaft in den vergangenen Jahren durchschnittlich um sechs Prozent gewachsen. Ein Grossteil der Bevölkerung lebt jedoch noch immer
in Armut, insbesondere im Norden des Landes, der am Machtwechsel in Ghana einen wesentlichen Anteil hatte. Gerade dort wurde für den Nationalen Demokratischen Kongress gestimmt. So empfahl der
deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier dem neuen Staatsoberhaupt bei seinem Glückwunsch, auch sicherzustellen, dass die positive Wirtschaftsentwicklung endlich eine spürbare Dividende für
alle Bürger bringe.
Mills gilt als moderat und besonnen, der Universitätsprofessor war bereits in den 1990er Jahren Vize-Präsident des Landes. Angesichts der viel versprechenden Ölfunde hat er sich den Kampf gegen die Korruption ganz oben auf die Fahnen geschrieben. Der Rohstoffsegen bedeutete für zahlreiche afrikanische Staaten bereits einen Ressourcenfluch, da die neuen Einnahmen zu Korruption, Misswirtschaft und Modernisierungsblockaden führten. Dies zeigt vor allem das ölreiche Nachbarland Nigeria. Auch hier will Ghana es anders, besser machen. Und gibt mit den erfolgreichen Wahlen erst einmal Anlass zu Optimismus.
Jérôme Cholet arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten u.a. im Johannesburger Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung. Themen sind Wahlen, Armut und Gewalt.
Fotonachweis: pixelio.de; Andrea Walgenbach
arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten.