Die Entwicklungshilfe auf Herz und Nieren zu überprüfen, lautet Seitz' Forderung. Was in den letzten 50 Jahren geleistet wurde, sei ernüchternd. Zugespitzt formuliert ist es ein Armutszeugnis,
das der Autor den Industrieländern ausstellt: Versagen auf ganzer Linie. Das Hauptziel, Afrika aus der Armut zu befreien, sei kläglich verfehlt worden. Vielen afrikanischen Staaten gehe es heute
schlechter als je zuvor. Neun der zehn ärmsten Länder der Welt liegen auf dem afrikanischen Kontinent.
Draufzuhauen ist das Eine, konstruktive Kritik das Andere. Seitz gelingt beides in ansprechender Weise. Er plädiert für einen offenen und ehrlichen Diskurs. Die linke Parole, "Die sind arm,
weil wir reich sind", sende dabei die falschen Signale: Sie sei zwar ungemein verständlich und wegen ihrer Schlichtheit gut nachvollziehbar. Allerdings führe diese simple Gleichung zu einer
unsachgemäßen Komplexitätsreduzierung. Im Einzelfall mag das zwar wünschenswert sein, letztlich liefere sie aber ein Zerrbild der Wirklichkeit.
Weniger ist manchmal mehr
In seinem Buch stellt Seitz die gesamte Entwicklungspolitik an den Pranger. Kaum ein Thema bleibt auf den 219 Seiten unausgesprochen: von der mangelnden Bereitschaft der Helferländer Afrika
ernst zu nehmen, über die Lüge der Budgethilfen, das inkonsequente Einfordern von Menschenrechten, bis hin zur Verschwendung und zum Missbrauch von Ressourcen. Die falsche Behauptung,
Kolonialismus sei verantwortlich für das bestehende Elend, spricht der Autor ebenso an wie den "brain drain". Auch die Vernachlässigung der Bildung und die fehlende Zusammenarbeit der
afrikanischen Länder werden thematisiert.
Seitz fordert ein aktiveres Tun der afrikanischen Staaten. Sie müssten endlich aus ihrer Lethargie erwachen. Anstatt sich auf historischem Unrecht auszuruhen, sollten sie heutiges Unrecht
im eigenen Land anpacken und damit einen Beitrag dazu leisten, dass der Transformationsprozess hin zu mehr Demokratie gelingt.
Von den Geberstaaten fordert der Autor ein Ende der Almosen. Sie " ... sollten so wenig Geld wie irgend möglich und nur so viel wie dringend nötig fließen lassen". Aus seiner 17-jährigen
Erfahrung als deutscher Diplomat auf verschiedenen Positionen wisse er, dass das meiste Entwicklungshilfegeld bisher nur zwei Gruppen wirklich zu Gute gekommen sei: den korrupten
Herrschaftscliquen in Afrika einerseits und dem Aufbau und Erhalt einer Entwicklungshelferökonomie in den Industriestaaten andererseits. Bei den Bedürftigen, der mittellose Landbevölkerung, sei
kaum Hilfe gelandet.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Sollen Fortschritte erzielt und Erfolge verzeichnet werden, müssen geplante Reformversuche etwas in den Vordergrund stellen: Afrika. Der Kontinent setzt sich aus 54 grundverschiedenen
Ländern zusammen. So sei es schier grotesk zu glauben, dass es ein Patentrezept geben könnte, das für alle Staaten gleichermaßen gelte. Nötig sei eine Abkehr von der bisherigen
Entwicklungspolitik: Weg von den aufwendigen Konferenzen, Workshops und Tagungen, hin zur Berücksichtigung der Gedanken und Ideen der Afrikaner. Sie wüssten schließlich, was gut für ihre Länder
ist. Dass es trotz schlechter Bilanz Grund zur Hoffnung gibt, zeigen einige Erfolgsbeispiele: Benin und Botswana etwa.
Seitz' Buch ist eine Art Schatzkammer, voll von Kostbarkeiten aus langjähriger Erfahrung: "Dieses fröhliche, traurige Afrika hat mich über 40 Jahre nicht losgelassen", so Seitz. Gleiches
könnte auch den Leser ereilen: Erst einmal einen Blick hineingeworfen, hat die Lektüre das Potenzial zu fesseln und nicht mehr loszulassen.
Volker Seitz: "Afrika wird armregiert - oder Wie man Afrika wirklich helfen kann", dtv-Verlag, €14,90, ISBN 978-3-432-24735-1