International

Abkehr von der Austeritätspolitik

Nach fünf Jahren schwerster Krise und vier Jahren Sparpolitik hat die griechische Linke einen historischen Wahlsieg errungen. Die neue Regierung hat den klaren Wählerauftrag bekommen, die Abkehr von der Austeritätspolitik einzuleiten.
von Christos Katsioulis · 26. Januar 2015
placeholder

Mit 36 Prozent der Stimmen hat Alexis Tsipras, der Parteichef von SYRIZA, die konservative Nea Dimokratia um mehr als acht Prozent hinter sich gelassen. Die Sozialdemokraten, die gespalten in PASOK und die neue Partei von Georgios Papandreou KIDISO, angetreten waren, sind mit knapp fünf Prozent für die PASOK und 2,5 Prozent für Papandreou auf einem Tiefpunkt angelangt und werden in den kommenden Monaten einen Neuanfang starten müssen.

Ziel: Soziale Not lindern

Mit Alexis Tsipras hat Griechenland seit 1974 erstmals einen Regierungschef, der nicht von ND oder PASOK gestellt wird. Der mit 40 Jahren jüngste Parteichef Griechenlands, hat mit zwei zentralen Versprechen die Wahlen gewonnen: Erstens hat er das Ende des Memorandums, der Vereinbarung mit den Kreditgebern über die Sparpolitik, angekündigt und einen Schwerpunkt auf die Linderung der sozialen Not gesetzt. Zweitens hat der den Griechinnen und Griechen zugesagt, dass er den Verbleib des Landes im Euro sichern wird.

Zwischen diesen beiden Versprechen besteht ein Spannungsverhältnis, das SYRIZA bewusst offen gelassen. Es wird nun die wichtigste Aufgabe einer neuen Regierung sein, einen Mittelweg zwischen diesen beiden Zusagen zu finden, sprich das Vertrauen der eigenen Bürger zu behalten und gleichzeitig das Vertrauen der Europäer zu gewinnen. Der erste Schritt dahin wird die Bildung einer Regierungskoalition sein. Die Ausgangslage dafür ist günstig für Tsipras, denn mit einer Fraktion von 149 oder 150 Abgeordneten, erreicht er schon beinahe allein die absolute Mehrheit von 151 Stimmen im griechischen Parlament.

Signal an Europa

Als Partner stehen zwei Parteien bereit, zum einen die Zentrumspartei „To Potami“, die mit etwa sechs Prozent viert stärkste Kraft geworden ist und mit ihren 17 Abgeordneten zur Bildung einer komfortablen Mehrheit ausreichen würde. Sie steht für die klare europäische Bindung Griechenlands und die Fortsetzung der Reformen. Diese Koalition könnte ein erstes Signal auch nach Europa sein, dass Tsipras es ernst meint mit dem „griechischen Reformprogramm“, das er angekündigt hat.

Denn die zweite Option, die ihm zur Verfügung steht, die „Unabhängigen Griechen“, eine rechtspopulistische Abspaltung von der Nea Dimokratia, mit leicht erratischen Positionierungen und verschwörungstheoretisch angehauchter Programmatik, flößt nicht unbedingt Vertrauen ein. Eine mögliche Regierungskoalition mit dieser Partei könnte von Beginn an auf wackligen Beinen stehen. Außerdem haben SYRIZA und die Partei von Panos Kammegos nur eine Gemeinsamkeit, die Gegnerschaft zum Memorandum, unterscheiden sich aber in gesellschaftspolitischen Fragen sowie bei wichtigen Themen wie Migration und Integration fundamental voneinander. Dennoch kann diese Koalition nicht ausgeschlossen werden, denn die beiden Parteien haben schon in der Opposition miteinander kooperiert.

Wachstum statt Sparen

Die Perspektive für eine Regierungsbildung ist daher positiv und es kann damit gerechnet werden, dass in Athen noch in dieser Woche Klarheit darüber geschaffen wird, wer zukünftig mit Europa über den künftigen Kurs verhandeln wird. Diese Verhandlungen werden für beide Seiten schwerer werden, denn die neue griechische Regierung hat den klaren Wählerauftrag bekommen, die Abkehr von der Austeritätspolitik einzuleiten.

Gleichzeitig wird die neue und komplett unerfahrene Regierung unter der Führung von Tsipras keine eindeutigen Unterstützer für ihren Kurs in Europa finden und muss nun in sehr kurzer Zeit erreichen, dass der Schwerpunkt vom Sparen auf Wachstum verschoben wird. Sie kann dafür viele gute Argumente ins Feld führen, von der massiven Schrumpfung der griechischen Wirtschaft, den 25 Prozent Arbeitslosigkeit bis hin zur weitgehenden Perspektivlosigkeit der eigenen Jugend.

Zwei Aspekte sind aber möglicherweise entscheidend dafür, ob diese Wende gelingt. Zum einen, ob Tsipras den europäischen Partnern ein glaubwürdiges griechisches Reformprogramm vorlegt, das offene Strukturreformen angeht und mit griechischer Initiative vorantreibt. Zum anderen, die Perspektive, die ein mögliches Scheitern dieser Regierung eröffnet. Denn hinter dem strahlenden Tsipras von gestern Abend verbirgt sich der Wahlerfolg der faschistischen Partei Goldene Morgenröte, die mit knapp sieben Prozent ihr Ergebnis von 2012 stabilisiert haben und drittstärkste Partei geworden ist.

Schlagwörter
Autor*in
Christos Katsioulis

leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in London. Zuvor leitete er das Büro der Stiftung in Athen und in Brüssel.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare