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Ab 4. Februar: Das bedeutet die Impfpflicht in Österreich

Österreich führt zum 4. Februar eine Impfpflicht ein, kontrolliert aber die Einhaltung zunächst nur stichprobenartig. Einer Impfpflicht in Deutschland könnte das Gesetz als Blaupause dienen, auch wenn der Weg dorthin ein anderer ist.
von Robert Misik · 17. Januar 2022
Österreich führt zum 4. Februar eine Corona-Impfpflicht ein. Für Deutschland könnte sie zur Blaupause werden.
Österreich führt zum 4. Februar eine Corona-Impfpflicht ein. Für Deutschland könnte sie zur Blaupause werden.

Woche für Woche ruft die rechtsextreme Freiheitliche Partei jetzt schon ihre Anhänger*innen auf die Straße. Konkurrenz machen ihnen dabei alle möglichen Spielarten von Medizinkritiker*innen, Corona-Leugner*innen, Homöopathie-Anhänger*innen, Verschwörungstheoretiker*innen oder einfach von Impfgegner*innen, ein bunter Haufen. Man werde „bis zum letzten Atemzug“ kämpfen, posaunte der FPÖ-Generalsekretär noch vergangenen Samstag von der Demo-Bühne. Die Demonstrationen sind gegen Verschiedenstes, vor allem aber gegen die seit Dezember angekündigte Impfpflicht. Zwar ist eine breite Mehrheit von rund 56 Prozent für die Impfpflicht. Aber beinahe dreißig Prozent sind dagegen. Der Rest ist schwankend. Und die überzeugten Gegner*innen sind laut. Das polarisiert die gesellschaftliche Debatte.

Impfpflicht ab 4. Februar

Jetzt hat die Regierung endlich ihren vorläufig finalen Gesetzesentwurf vorgelegt, am Donnerstag hat ihn das Parlament mit großer Mehrheit beschlossen. Schon ab 4. Februar soll die Impfpflicht gelten. Es ist, nach österreichischer Art, eine Impfpflicht mit Seiten- und Hintertüren. Und das ist wahrscheinlich ganz gut so. Denn das Ziel ist ja letztlich, die Impfquote zu erhöhen, nicht die Gesellschaft zu zerreißen.

Die Regierung hat einen Weg gewählt, den man, je nach Belieben, als unentschlossen, oder aber auch schlau charakterisieren kann. Ab 4. Februar gilt also, wird der Plan umgesetzt, eine Impfpflicht für alle über 18 Jahren. Damit ist es formal gesehen gesetzlich vorgeschrieben, geimpft zu sein. Zunächst folgt daraus aber keine Strafbewehrung. Bis 15. März geschieht gar nichts, wenn man ungeimpft bleibt. Ab diesem Zeitpunkt muss man, wenn man aus anderen Gründen in eine Polizeikontrolle gerät, auch den Impfstatus nachweisen – und kann dann auch ein Strafmandat bekommen. Dafür gibt es höchstens 600 Euro und so ein Strafmandat kann man auch beim allergrößten Pech nur vier Mal im Jahr bekommen.

In einer dritten Phase wird jede Person eine Strafe erhalten, die im nationalen Impfregister als „ungeimpft“ erscheint. Wann diese Phase beginnt, ist aber offen. Ob sie überhaupt in Kraft gesetzt wird, obliegt dem Gesundheitsminister – dieses „Problem“ ist wohl bis in den Sommer aufgeschoben. Die Hoffnung ist, dass durch eine Steigerung der Impfquote, die kontrollierte Durchseuchung mit Omikron, deren überwiegend milden Verläufe die epidemiologische Lage in ein paar Monaten die Pflichtimpfung gar nicht mehr nötig macht. Eine Hoffnung, die natürlich mit einigen unbekannten Variablen operiert, vor allem mit der Annahme, dass nicht noch eine fiesere Covid-Mutation auftritt.

Die Minderheit vergiftet das gesellschaftliche Klima

Die Regierung aus ÖVP und Grünen – aber auch die demokratischen Oppositionsparteien, die Sozialdemokraten und liberalen Neos, die den Gesetzesvorschlag mittragen sollen –, hatten im Grunde zwischen Alternativen zu wählen, die alle nicht optimal sind. Die Mehrheit, die sich an die Covid-19-Regeln hält, ist zunehmend sauer auf die radikale Minderheit, die Regeln ignoriert und die Impfkampagne sabotiert. Diese Minderheit wiederum ist allerdings groß genug, das gesellschaftliche Klima zu vergiften. Zudem: Die Impfpflicht war angekündigt – die Regierung konnte nicht gut eine Kehrtwende machen.

Ein Gesetz aber, das eher unpraktikabel ist, die Impfquote nur um wenige Prozentpunkte hebt, dafür aber zu Hader und Gereiztheit führt, ist auch nicht gerade der Goldstandard der Regierungskunst. So ist der Entwurf ein Balanceakt, der alle möglichen Gesichtspunkte wenigstens zu einem windschiefen, wackeligen Kompromiss zu vereinen sucht, und damit wahrscheinlich das Beste, was in der gegenwärtigen Lage ausgebrütet werden konnte.

Wir haben also eine österreichische Lösung: Ein Gesetz, das die Impfung vorschreibt, aber wahrscheinlich in der Praxis nur selten zu Stafverfügungen bei Zuwiderhandeln führen wird. „Lex imperfecta“, nennen das Juristen.

Schlauerer Weg in Deutschland

Die Annahme liegt nahe, dass die deutsche Ampel-Regierung bei ihrer Ankündigung einer Impfpflicht deutlich vorausblickender vorging. Den Gesetzesentwurf aus den parlamentarischen Verfahren entstehen zu lassen und die Abstimmung auch noch freizugeben (also ohne Fraktionszwang), nimmt aus der Sache Druck und erschwert es zumindest ein wenig, das Impfgesetz zum Thema von radikaloppositioneller Polarisierung zu machen. Der Prozess ist also deutlich schlauer, also der Weg zum Gesetz. Das Gesetz selbst kann aber zumindest als Blaupause dienen. Es lässt sich so zusammenfassen: Im Prinzip herrscht Impfpflicht, in der Praxis wird wohl niemand bei Zuwiderhandeln allzu harsch verfolgt werden.

Autor*in
Robert Misik
ist Journalist und politischer Autor. Er lebt in Wien.
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