Inland

"Zyperns Regierung hat den Ernst der Lage nicht erkannt"

von Carl-Friedrich Höck · 22. März 2013

Die zyprische Regierung will mit einem Solidaritätsfonds den notwendigen Eigenanteil aufbringen, um Hilfsgelder von der EU zu erhalten. Im Interview mit vorwärts.de erklärt der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider, warum dieser Plan nicht funktionieren kann - und wie es nun weitergeht.

Mit zehn Milliarden Euro wollen die EU-Staaten Zypern aus der Krise helfen. Doch dafür muss Zypern 5,8 Milliarden Euro Eigenanteil aufbringen. Am Donnerstag präsentierte die zyprische Regierung ihren Plan, das Geld durch einen Solidaritätsfonds aufzutreiben. Mittlerweile hat die Troika aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds den Plan abgelehnt, berichten griechische Medien. Auch der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider weist den Vorschlag der zyprischen Regierung zurück - und kritisiert die Bundesregierung für ihr Krisenmanagement.

vorwärts.de: Zypern will einen Solidaritätsfonds auflegen, der unter anderem mit den Goldreserven des Landes, dem Vermögen der Kirche und Pensionsfonds gefüllt wird. Was halten Sie von dem Plan?

Carsten Schneider: Das wird keine Lösung für die Staats- und Bankschulden in Zypern sein. Das Land ist überschuldet, die Banken sind pleite. Wenn wir Zypern im Rahmen des Rettungspakets Geld leihen, müssen wir sicher sein, dass die Zyprer es auch zurückzahlen können. Wenn Zypern jetzt seine Vermögenswerte verhökert, nur um seine Banken zu schonen, dann ist das nicht sinnvoll.

Der Bundestag wird keinem Rettungspaket zustimmen können, bei dem die Millionäre und Milliardäre nicht beteiligt werden, die in Zypern ihr Geld angelegt haben und damit Steuern sparen. Darunter sind auch Vermögende aus Deutschland, die ihr Geld nach Zypern gebracht haben. Es ist nicht vertretbar, dass wir quasi mit unseren Steuergeldern die Vermögen von Steuerflüchtlingen sichern.

Das zypriotische Geschäftsmodell mit seinen laxen Bankenkontrollen und niedrigsten Steuersätzen ist gescheitert. Das hat das Land ja in die Krise gestürzt. Hier muss etwas geändert werden.

Die SPD-Fraktion im Bundestag wird also unter diesen Bedingungen die Zustimmung zum Rettungspaket verweigern?

Für uns ist wichtig, dass die Zyprioten ihre Steuersätze erhöhen, dass sie Schwarzgeld bekämpfen und dass sie die Gläubiger der Banken an den Rettungskosten voll beteiligen und nicht die europäischen Steuerzahler für sie aufkommen. Andernfalls ist es nicht vertretbar, dem zuzustimmen.

Die EZB hat ein Ultimatum gestellt: Bis Montag muss ein Sanierungskonzept vorliegen, sonst dreht sie den Geldhahn zu. Wie optimistisch sind Sie, dass dies gelingt?  

Ich habe den Eindruck, dass die zyprischen Abgeordneten und die Regierung den Ernst der Lage noch nicht erkannt haben. Es ist jetzt ein Dreivierteljahr her, dass sie einen Antrag auf Hilfe durch die EU gestellt haben. Und immer noch glauben sie, eine Steueroase bleiben zu können. Das ist mit europäischer Solidarität nicht vereinbar. Deshalb bin ich sehr skeptisch, dass es bis Montag ein tragfähiges Konzept gibt.

Den ersten Rettungsplan hat das zyprische Parlament abgelehnt. Er sah vor, Bankkunden mit einer Zwangsabgabe zur Kasse zu bitten. Haben Sie Verständnis für die Gegenwehr der Zyprer?

Den entscheidenden Fehler hat Wolfgang Schäuble gemacht, indem er zugestimmt hat, Kleinsparer an den Sanierungskosten zu beteiligen. Damit hat er die Kleinsparer in Zypern gegen den Plan aufgebracht und extreme Verunsicherung bei allen Sparern in der Eurozone verursacht. Bei Bankeinlagen bis 100.000 Euro gilt die Einlagensicherung. Wenn es mehr als 100.000 Euro sind, müssen die dann allerdings auch mit einem hohen Steuersatz belegt werden.

Als das Parlament den ersten Rettungsplan abgelehnt hat, sah der die Besteuerung von Kleinsparern aber gar nicht mehr vor.

Da hat sich eine Eigendynamik entwickelt. Es war fatal, zu fordern, dass die ganze Bevölkerung für die Fehler der Banken und der Aufsicht sowie die Einlagen der russischen Oligarchen haften soll. Das hat die politische Legitimation der Konto-Abgabe völlig zerstört – und das ließ sich auch mit den Änderungen nicht mehr wiedergutmachen. Aber die Zyprer müssen auch wissen: Ohne einen Beitrag der Millionäre auf Zypern wird die SPD keinem Rettungspaket zustimmen – und ich denke, das gilt auch für den gesamten Bundestag.

Sie sagen, die Sparer in der Euro-Zone seien verunsichert. 2008 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den deutschen Kleinsparern noch garantiert, dass ihre Bankkonten von der Politik geschützt werden.

Meine Regionalzeitung, die Thüringer Allgemeine, hat mit der Schlagzeile aufgemacht: „Sind unsere Spareinlagen noch sicher?“ Dass jetzt in Deutschland überhaupt wieder über die Sicherheit der Spareinlagen diskutiert wird, ist dem Versagen von Merkel und Schäuble geschuldet. Der Zweifel ist gesäht – und dieser Zweifel kann extrem teuer werden. Denn die Kunden überlegen sich jetzt, ob sie ihr Geld noch auf einer Bank anlegen, oder es lieber unters Kopfkissen legen. Das ist fatal für die Stabilität des Finanzsystems. Die Bundesregierung hat das völlig unterschätzt. Herr Schäuble hat wieder einmal deutlich gemacht, dass er von Wirtschafts- und Finanzpolitik relativ wenig versteht. Für das Chaos, das wir jetzt haben, ist die Regierung mitverantwortlich.

Was passiert denn, wenn das Ultimatum der EZB nicht eingehalten wird und es bis Montag kein tragfähiges Sanierungskonzept gibt?

Die Banken, die am Tropf der EZB hängen, müssten dann abgewickelt werden. Dann müssten auch Kapitalverkehrskontrollen in Zypern eingeführt werden, was bedeutet: Es dürften keine größeren Summen mehr das Land verlassen. Die Kosten würden vor allem die Gläubiger der Banken tragen. Aus meiner Sicht ist das kein Schreckgespenst.

Wenn Zypern pleite geht – was bedeutet das für Europa und Deutschland?

Das weiß man niemand wirklich, und deswegen wäre es gefährlich. Aber es ist eine Option, die niemand ausschließen kann.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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