Das TV-Duell zwischen den beiden französischen Präsidentschaftskandidaten Francois Hollande und Nicolas Sarkozy war keine Glanznummer, aber aufschlussreich. Nach Expertenmeinung siegte der 57-jährige Sozialist Hollande nach Punkten. Dem konservativen Präsidenten Sarkozy droht am Sonntag eine Niederlage. Hochspannung also bis zur Wahl am 6. Mai.
Der Schlagabtausch in einem ultramodernen Fernsehstudio im östlichen Vorort Saint-Denis bei Paris verlief vor zwei Moderatoren drei Stunden lang aggressiv und streckenweise höhnisch und ehrabschneidend. Es gab weder Verständigung noch Übereinstimmung zwischen den Kontrahenten. Gerade auf dem sozialen und wirtschaftlichen Sektor konnte Hollande vollmundige Versprechen von Sarkozy als Luftnummer entlarven. Er, der Präsident, wollte nach seiner Wahl 2007 allenfalls 5 Prozent Arbeitslosigkeit dulden, es sind 10 Prozent (4 Millionen) geworden. Hollande kündigte im Falle seiner Wahl als Schwerpunkt die Jugendarbeitslosigkeit an, die unter dem Präsidenten 20 bis 25 Prozent erreicht hat.
Auch unter den Linken Burka-Verbot
Punkten konnte der Konservative dort, wo er Hollande nach der Finanzierung seiner Wahlversprechen (60.000 Lehrerstellen, 150.000 Jobs im innovativen Bereich in den kommenden 5 Jahren) in die Ecke drängte. Woher er die 20 Milliarden Euro Finanzmittel nehmen werde, wurde nicht deutlich. Der Noch-Präsident hielt sich mit Ankündigungen zurück, als seien in Frankreich keine Reformen mehr nötig. Er ging zum strittigen Thema Einwanderung über, wo er zu Thesen griff, die bei der rechtsradikalen Partei Nationale Front zuhause sind. Hollande stellte klar, dass er, was öffentliche Auftritte in Burkas betrifft, am Verbotsgesetz festhalten werde.
Beim Streit um eine neue Europapolitik stellte der Sozialist seine Forderung nach Neuverhandlungen des EU-Fiskalpakts in den Vordergrund. Reaktionen von europäischen Regierungen hätten ihm bewiesen, dass seine Forderung nach Einarbeitung von Wachstumszielen ernstgenommen und akzeptiert werde. Selbst Angela Merkel zeige sich kompromissbereit. Sarkozy bestritt Hollande jede europapolitische Kompetenz. Unglücklich lavierte er, als er herausstellte, er habe ja Frankreich auf den Gipfeltreffen vertreten und nicht der Oppositionspolitiker.
Ein anderes Thema, mit dem Sarkozy zu punkten versuchte, war die Atompolitik. Hollande spricht sich für eine Reduzierung der Elektrizität aus der Nuklearproduktion von derzeit 75 auf 50 Prozent bis zum Jahr 2025 aus. Gleichzeitig würde er erneuerbare Energien kräftig ausbauen. Das AKW Fessenheim, auf unsicherem Erdbebengebiet vor 40 Jahren gebaut, habe sofort zu schließen. Worauf Sarkozy ihn angriff, er verkaufe die Arbeiter des Meilers. Die Sicherheit der 58 Atomreaktoren stehe nicht infrage. Dabei hatte die Oberste Sicherheitsbehörde ASN unlängst in einer Studie gefordert, den Sicherheitsstandard aller Atomkraftwerke zügig zu erhöhen.
„Fachmann für Kolportagen“
Der Amtsinhaber setzte nun alles auf eine Karte. Mehrmals bezichtigte er den Sozialisten der Lüge und griff ihn als „Fachmann für Kolportagen“ an. Kurz vor Ende des bissigen Streitgesprächs holte er zu einem besonders schäbigen Schlag aus: Niemand könne einer Partei (Sozialisten) vertrauen, die den umstrittenen und in Sexaffären verstrickten Genossen Dominique Strauss-Kahn zum Präsidentschaftskandidaten machen wollte. Hollande fragte Sarkozy, was er über das Privatleben des früheren Direktors des Weltwährungsfonds (IWF) wisse. Er, Hollande, könne dazu keine Angaben machen. Der Angesprochene ging darauf nicht ein.
Das aggressiv geführte TV-Duell hat die Spannung für die Stichwahl gewaltig erhöht. Obwohl politische Beobachter Hollande einen leichten Vorsprung einräumen, ist der Sieg keine ausgemachte Sache. Der Kampf der beiden Anwärter geht nun um die Wähler sowohl der rechtsradikalen Front National als auch der Zentrumspartei MoDem. Wer die Mehrheit der Wähler auf seine Seite zieht, für den öffnen sich die Tore zum Elyséepalast. Das Fernsehduell in der Nacht zu Donnerstag war keine Glanznummer, aber es wird Auswirkungen auf den Wahlsonntag haben.
ist Auslandskorrespondent in Frankreich für verschiedene Tageszeitungen und Autor mehrerer politischer Bücher, u. a. „Willy Brandt – ein politisches Porträt“ (1969).