Inland

Zweite Chance für junge Leute

von Ulf Buschmann · 14. Juni 2013

Kevin Jägeler hat sein Ziel erreicht: Trotz familiärer Probleme und ohne Realschulabschluss ist der 19-Jährige aus Bremerhaven jetzt im ersten Lehrjahr zum Anlagenmechatroniker, Fachrichtung Behälter- und Apparatebau. Sein Arbeitgeber ist die J.H.K.-Gruppe mit Ingo Kramer als Geschäftsführendem Gesellschafter an der Spitze. Der Manager hat eine weitere Funktion: Er ist Präsident von Nordmetall, dem Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie Norddeutschlands.


Der Verband hat im Jahr 2008 ein Programm mit Namen „Nordchance“ angeschoben, das jungen Leuten eine zweite Chance auf einen Ausbildungsplatz geben soll. In knapp einem Jahr werden sie durch ein Praktikum und intensive Betreuung fit für die Berufsausbildung in einem gewerblich-technischen Beruf gemacht. 500 Jugendliche und junge Erwachsene wie Kevin Jägeler haben das Projekt bereits absolviert. Noch einmal so viele sollen folgen. Standorte sind neben Bremen und Bremerhaven, Rostock, Kiel und Hamburg.


Wer an „Nordchance“ teilnimmt, bekommt monatlich 300 Euro netto als Praktikumsvergütung. Davon zahlt die Bundesagentur für Arbeit als Einstiegsqualifizierung 216 Euro, den Rest legt der Arbeitgeberverband drauf. Von den 81 „Nordchance“-Absolventen in Bremen und Bremerhaven haben seit 2008 genau 67 einen Ausbildungsplatz bekommen, das sind rund 81 Prozent. Von diesen Azubis haben knapp 90 Prozent ihre Ausbildung auch beendet.

Gute Investition in Fachpersonal
„Nordchance“ lassen sich die Arbeitgeber insgesamt rund 7,5 Millionen Euro kosten. Das ist aus ihrer Sicht gut investiertes Geld. Denn einerseits fehlt vielen der beteiligten Unternehmen und Betrieben schon jetzt Fachpersonal. Gleichzeitig gibt es viele Jugendliche, die offensichtlich bei der Ausbildungsplatzsuche Hilfe benötigen.


Diese jungen Männer und Frauen haben in der Regel mit schlechten Schulnoten, Fehlzeiten und mangelnder Sozialkompetenz zu kämpfen und fallen wie Kevin Jägeler bei den üblichen Bewerbungsrunden mit Begutachtung der Zeugnisse, Einstellungstests und Einstellungsgesprächen durchs Raster. Bei jungen Leuten mit Migrationshintergrund – rund 44 Prozent bei „Nordchance“ – kommt hinzu, dass einige meinen, sie benötigten keine Berufsausbildung. So die Erfahrung von Constanze Werdermann. Sie ist „Nordchance“-Koordinatorin beim Bildungszentrum der Wirtschaft im Unterwesergebiet (BWU). Der Bildungsträger der Unternehmerverbände im Land Bremen setzt das Programm vor Ort um.

Potenzial steckt in jedem
Wenn sich Fehlzeiten bei den jungen Leuten häufen und sie mangelnde Sozialkompetenz haben, liegt das aber nicht nur an den Jugendlichen selbst. Davon sind Constanze Werdermann und Nordmetall-Chef Ingo Kramer überzeugt. Vielmehr seien es Brüche in ihren Biografien, zum Beispiel Schicksalsschläge wie der plötzliche Tod eines Elternteils, oder auch mangelnde Unterstützung durch die Familie. Kramer glaubt an das Potenzial, das in jedem stecke. „Es gibt nahezu keinen Grund, der eine Berufsausbildung verhindert“, sagt Kramer. Wenn es die nötige Unterstützung gebe.


„Nordchance“ beginnt jeweils im Oktober mit der sogenannten Orientierungsphase. Sie dient der Vorbereitung: Die Teilnehmer bewerben sich für ein siebenmonatiges Praktikum in einem der „Nordchance“-Betriebe. Schlagen sich die jungen Leute dort gut, ist ihnen ein Ausbildungsplatz so gut wie sicher.


Während des Projekts werden die jungen Leute intensiv betreut. Denn es geht auch darum, ihnen Pünktlichkeit und Verlässlichkeit zu vermitteln. Das ist für Constanze Werdermann und die verantwortlichen Meister in den Betrieben sozusagen Alltag. „Da hilft nur viel Geduld und viel Reden mit den jungen Leuten“, sagt Werdermann.

Träger: Nordmetall, Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie Norddeutschlands

Projektziel: Vermittlung von Ausbildungsplätzen im gewerblich-technischen Bereich

Gegründet 2008

Teilnehmer: 500, bis Projektende 1000

nordmetall.de

Autor*in
Ulf Buschmann
Ulf Buschmann

arbeitet als freier Journalist in Bremen.
 

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