Inland

Zum Türkei-Syrien-Konflikt

von Rafael Seligmann · 13. Dezember 2012

Die Nato hat wie jedes Verteidigungsbündnis die Aufgabe, eine äußere Macht vom Angriff auf einen Mitgliedsstaat abzuschrecken: mittels Beistand seiner Partner für das attackierte Paktland. Falls dies nicht gelingt, hat sie das angegriffene Nato-Mitglied militärisch zu verteidigen. 

Dies hat seit der Gründung der Nato vor 60 Jahren funktioniert –  da die Linie des Konflikts zwischen der Nato und dem Warschauer Pakt verlief. Die Hauptprotagonisten USA und Sowjetunion waren nuklear hochgerüstet, doch deren rational handelnde Führungen wollten unter allen Umständen einen alles zerstörenden Atomkrieg vermeiden.

Nun hat das Nato-Mitglied Türkei gefordert, Patriot-Abwehrraketen der USA, Deutschlands und der Niederlande an seiner Grenze zu Syrien zu stationieren. Ankara sieht sich von der Assad-Diktatur bedroht. In Syrien herrscht Bürgerkrieg. Die verfeindeten Parteien kennen keine Zurückhaltung. Zivilisten flüchteten in die Türkei, Granaten flogen über die Grenze, ein türkisches Kampfflugzeug wurde von den Syrern abgeschossen. 

Die schwer bedrängte Assad-Diktatur sucht keinen Krieg gegen die militärisch überlegene Türkei. Deren Premier Erdogan hofierte bis vor kurzem Assad. Nunmehr unterstützt Ankara aktiv die syrischen Aufständischen. Moskau wiederum hilft Assads Regime. Zudem führt die Türkei Krieg gegen die separatistischen Kurden. Auch jenseits der türkischen Grenzen, denn Ankara fürchtet einen Kurdenstaat.

In dieser Situation kann die Nato durch ihre Patriot-Raketen rasch in einen Krieg gezogen werden. Manches erinnert an 1914. Niemand wollte einen Krieg, doch am Ende wirkten die Bündnisse als Brandbeschleuniger.

Statt sich in einen bewaffneten Konflikt involvieren zu lassen, sollte die Nato diplomatisch auf Moskau einwirken. Russland ist noch keine Demokratie nach westlichen Maßstäben, doch ein rationaler, traditioneller Teil des europäischen Mächtegleichgewichts, zudem ein zuverlässiger Energielieferant. Man sollte sich mit dem Kreml einigen.

Autor*in
Rafael Seligmann

ist ein deutsch-israelischer Schriftsteller, Publizist, Politologe und Zeithistoriker.

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