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Zukunft Homeoffice: Der Heimvorteil ist nicht grenzenlos

Vor wenigen Monaten war die Arbeit im Homeoffice für viele noch eine exotische Vorstellung. Mit der Corona-Krise wurde sie vielerorts über Nacht zum Alltag. Doch was bleibt davon nach der Pandemie übrig?
von Benedikt Dittrich · 24. September 2020
Arbeiten von Zuhause: Nicht für jede*n ist das Homeoffice eine Wunschvorstellung.
Arbeiten von Zuhause: Nicht für jede*n ist das Homeoffice eine Wunschvorstellung.

Für viele kam der Wandel plötzlich. Mitte März schickten Unternehmen, denen es möglich war, ihre Mitarbeiter*innen nach Hause. Wofür Betriebsräte lange kämpften, wurde über Nacht umgesetzt: Die Corona-Krise machte das Arbeiten im Homeoffice für viele Beschäftigte plötzlich möglich. Aus Bürojobs wurden Wohnungsjobs mit digitalen Meetings, Telefonkonferenzen und schriftlicher Kommunikation.

„Es ist nicht davon auszugehen, dass die Nutzung des Homeoffice wieder Vorkrisen-Niveau erreicht“, sagt Philipp Gronau. Der Forscher am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht davon aus, dass in der Corona-Krise viele technische und psychische Hürden abgebaut wurden. Grunau ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem an die Arbeitsagentur angegliederten IAB für den Bereich „Betriebe und Beschäftigung“.

Vorteil Homeoffice – wenn die Umsetzung stimmt

Grundlage seiner Erkenntnisse sind die Aussagen von Personen, die das IAB vor und während der Krise zu ihrem Arbeitsverhalten regelmäßig befragt. Von den 50 Prozent, die in Folge der Pandemie ihren Arbeitsplatz nach Hause verlegt haben, zeigten sich auch jetzt noch rund drei Viertel zufrieden mit der Umstellung. Zweite Erkenntnis aus einer anderen Studie: Die Produktivität der Mitarbeiter*innen kann im Homeoffice steigen. „Wobei das von der jeweiligen Situation abhängig ist“, schränkt der Forscher ein, also ob das Homeoffice dem Wunsch der Person entspricht, wie die Menschen leben, arbeiten und anderen Faktoren.

Denn nicht jede*r will von Zuhause aus arbeiten, wie Grunau anhand voriger Studien erklärt. Unter den befragten Personen hatte 2019 rund ein Drittel nicht den Wunsch, seinen Arbeitsplatz in die eigenen vier Wände zu verlegen. Was kein Nachteil sein muss, wie Grunau als älteren Studien ableitet: „Man sollte den Mitarbeitern die freie Wahl lassen und sie nicht zwingen.“ Denn die Produktivität hängt offenbar davon ab, wie zufrieden die Mitarbeiter*innen mit ihrer Situation sind – und die hängt auch davon ab, ob sie selbst entscheiden können, wo und wie sie arbeiten wollen.

Vergleichbar sind vorige Untersuchungen zum Homeoffice mit der aktuellen Situation allerdings nicht, erklärt Grunau. Denn viele Mitarbeiter*innen hatten diese Wahl in der Krise nicht. Außerdem waren zeitgleich Schulen und Kitas geschlossen, was eine zusätzliche Belastung für berufstätige Eltern darstellte. Dafür wurden andere Hindernisse für das mobile Arbeiten abgeräumt: Die technischen Voraussetzungen wurden in der Krise in Windeseile geschaffen, ebenso wurde mit den Erfahrungen der vergangenen Monate Bedenken in den Führungsebenen abgeräumt.

Die Pandemie zeigt, was möglich ist

Von dieser Entwicklung kann auch Britta Hasenbeck aus der Wirtschaftsregion „Ems Achse“ an der Grenze zu den Niederlanden berichten: „Die Führungsebene war eigentlich ein Freund der Präsenzkultur“, berichtet die Personalverantwortliche einer international tätigen Reederei. „Auf einmal war möglich, was niemand für möglich gehalten hatte.“ Und die Umstellung habe, abgesehen von einem Lernprozess, sehr gut geklappt, sodass noch immer ein Teil des Personals von Zuhause aus arbeitet. Allerdings seien die technischen Voraussetzungen dafür bereits vorhanden gewesen, ergänzt Hasenbeck, einige Kolleg*innen seien schon zuvor international tätig und damit auf mobiles Arbeiten angewiesen gewesen. Die technische Infrastruktur war also bereits vorhanden, wurde nur ausgeweitet, erklärt Hasenbeck.

Für die Zukunft identifiziert Philipp Grunau deshalb andere Probleme, die für die Zukunft in den Unternehmen, zusammen mit den Betriebsräten, geklärt werden müssten:

  1. Die Zufriedenheit mit dem Homeoffice sei nur dann hoch, wenn die Arbeit innerhalb der Arbeitszeit stattfinde. Eine Entgrenzung und fehlende Balance zwischen Beruf- und Privatleben ist auf Dauer schädlich.

  2. Mitarbeiter*innen, die überwiegend im Homeoffice arbeiten, befürchten, dass sie bei Beförderungen nicht berücksichtigt werden. Auch da sollte auf Gleichbehandlung beachtet werden.

  3. Auch im Homeoffice ist das Unternehmen dafür verantwortlich, dass der Arbeitsplatz richtig eingerichtet ist

Ein Recht auf Homeoffice, an dem SPD-Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gegenwärtig arbeitet, sieht Grunau zunächst skeptisch. Zum einen, weil daraus kein Zwang entstehen solle, zum anderen liegt für den Wissenschaftler auf der Hand: Wenn die Chefetage in der Krise die Vorteile erkannt hätte, müsste es im eigenen Interesse des Unternehmens liegen, Homeoffice auch künftig anzubieten.

„Heimvorteil“ für ländliche Regionen?

Gesamtwirtschaftlich betrachtet sieht sein Kollege Rüdiger Ahrend noch eine weitere positive Chance: „Vielleicht fällt die Wahl des Wohnorts jetzt leichter.“ Konkret hofft der OECD-Ökonom, dass die Entwicklung vor allem ländlichen Räumen entgegenkommt. Bezogen auf die Wirtschaftsregion Ems Achse könnte das heißen, dass die Menschen zwar in Hamburg angestellt sind, aber in der ländlichen Region westlich der Hansestadt wohnen und arbeiten. „Homeoffice auf 20 Quadratmetern ist sicherlich nicht so toll“, sagt Ahrend mit Blick auf den Wohnraum in Großstädten. Zumindest die Ems Achse bringe für diese Entwicklung einen wichtigen Standortvorteil mit sich: Die Breitband-Versorgung ist für eine ländliche Region in Deutschland überdurchschnittlich.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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