Inland

Zu wenig Zeit, um die Welt zu retten

von Carl-Friedrich Höck · 26. April 2013

Eine Enquete-Kommission des Bundestages sollte die Grenzen des Wachstums ausloten und neue Maßstäbe für Wohlstand definieren. Jetzt liegt ihr Bericht vor. Doch was ist er wert? Darüber wurde am Mittwoch auf einer Tagung des Deutschen Naturschutzrings diskutiert.

Daniela Kolbe schmunzelt. „Ich hatte das Gefühl, dass von uns erwartet wird: Die Enquete-Kommission rettet mal kurz die Welt“, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete. Viel Zeit blieb dafür nicht: Zwei Jahre lang haben sich 17 Abgeordnete aus allen Bundestagsfraktionen und 17 Wissenschaftler beraten. Sie sollten herausfinden, nach welchen Maßstäben die Politik künftig Wohlstand und Lebensqualität bemessen soll und die ökologischen Grenzen des wirtschaftlichen Wachstums diskutieren.

Heraus kam ein Abschlussbericht von 1000 Seiten. Er dokumentiert vor allem eines: Dass die Fraktionen in vielen Punkten noch uneins sind. Dennoch zeigt sich die Vorsitzende der Kommission Daniela Kolbe erleichtert: „Der Bericht definiert Anforderungen an die Politik, die nicht mehr wegzudiskutieren sind.“

Ähnlich sieht es die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Für sie ist es schon ein Fortschritt, dass die bisherigen Kriterien für Wachstum und Wohlstand überhaupt in Frage gestellt werden. „Viele hätten sich nicht vorstellen können, dass der gesamte Bundestag sich mal mit der Frage beschäftigt, ob das Bruttoinlandsprodukt eigentlich noch der richtige Maßstab ist.“ Das BIP sage wenig darüber aus, wie lebenswert die Welt in der Zukunft sei. Gegenwärtig seien die Menschen in Schleswig-Holstein laut einer Studie überdurchschnittlich glücklich, obwohl das Land nicht zu den wirtschaftsstärksten gehöre.

Wachstum ist kein Selbstzweck

Als Daniela Kolbe die Inhalte des Berichts vorstellt, wird allerdings deutlich, dass die Mitglieder der Enquete-Kommission oft nur an der Oberfläche kratzen konnten. So sollte sich eine Projektgruppe innerhalb der Kommission mit der Frage beschäftigen, welchen Stellenwert Wirtschaftswachstum künftig haben muss. Das Ergebnis: „Wachstum ist kein Ziel an sich. Mehr Einigkeit war an dieser Stelle nicht zu finden“, sagt Kolbe.

Auch die anderen Ergebnisse sind mehrheitlich allgemein gehalten: Um unseren Wohlstand zu messen, brauchen wir andere Indikatoren als bisher. Sie sollen auch soziale und ökologische Faktoren berücksichtigen. Die Grenzen der Belastungsfähigkeit des Planeten sind auch die Grenzen unseres (politischen) Handelns. Die Finanzmärkte müssen reguliert werden, um eine nachhaltige Wirtschaft zu erreichen.

Bis dahin reichte der Konsens. Doch bei den Details gingen die Meinungen auseinander. Ein großer Teil der 1000 Seiten des Berichts besteht aus Sondervoten, in denen die Fraktionen ihre jeweiligen Vorstellungen schildern.

Müssen wir auf Konsum verzichten?

Auch auf der Tagung des Deutschen Naturschutzrings (DNR) geht die Diskussion weiter. „Umweltpolitik trägt dazu bei, Wachstum zu schaffen“, sagt etwa Ursula Heinen-Esser, Staatssekretärin im Bundesumweltministerium. Denn sie steigere die Effizienz. Heute bräuchten wir weniger Landflächen oder Energie, um die gleichen Erträge zu erzielen wie früher.

Der Präsident des DNR Hartmut Vogtmann hält dagegen: Auf Effizienz zu setzen sei zwar wichtig, aber mit Blick auf die ökologischen Grenzen müsse er auch sagen: „Mehr Effizienz reicht nicht, wir müssen auf gewisse Dinge auch verzichten.“ Was wiederum einen Vertreter der Deutschen Industrie- und Handelskammer aus dem Publikum auf die Palme bringt: „Ich dachte, diese Verzichts-Diskussion hätten wir schon lange hinter uns.“

Am Ende der dreistündigen Tagung sind sich die Teilnehmer nur in einem Punkt einig: Die Enquete-Kommission hat wertvolle erste Schritte getan, doch ihre Arbeit muss weitergeführt werden.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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