Inland

Zu billig wird doppelt teuer!

von Hubert Weiger · 10. Februar 2012

Hubert Weiger Die Abkehr von Agrarfabriken forderte schon Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 2000. Doch die Tierhaltungsfabriken werden immer größer. Die SPD muss gegensteuern. 

Am Anfang des neuen Jahres steht sie wieder auf der Tagesordnung – die Agrarpolitik mit all ihren Risiken und Nebenwirkungen, sichtbar an der vom BUND skandalisierten Belastung von Supermarkt-Hähnchenfleisch mit antibiotika-resistenten Keimen. Schon im Jahr 2000 hatte ein SPD-Bundeskanzler – Gerhard Schröder – anlässlich des BSE-Skandals die „Abkehr von Agrarfabriken“ gefordert und hinzugefügt: „Wenn wir es jetzt nicht schaffen, werden wir es nie schaffen.“

Die gegenwärtigen Tendenzen im Agrarsektor scheinen leider Schröders zweiten Satz zu bestätigen: In immer größeren Tierhaltungsfabriken wird eine wachsende Menge von Produkten industriell erzeugt. Wir sollten nicht stolz sein, dass wir Fleisch-Exportweltmeister sind, weil wir billiger liefern als andere. Dies auch, weil in Mega-Mastanlagen und Schlachthöfen nur Stundenlöhne von 3,50 Euro gezahlt werden. Manche sagen, billig ist gut, damit sich sozial Schwache die Produkte leisten können. Zu billige Lebensmittel kommen jedoch alle teuer, weil wir das Doppelte draufzahlen müssen, um die Kollateralschäden einer vermeintlich günstigen Produktion nachträglich zu reparieren.

Auch deshalb wurde unter dem Motto „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ zum zweiten Mal zu einer Demonstration anlässlich der „Grünen Woche“ in Berlin aufgerufen. 2012 wird entschieden: Gibt es ein „Weiter-so“ oder findet die Europäische Gemeinschaft die Kraft, im Agrarsektor für die Zeit nach 2013 die Weichen neu zu stellen? Dabei geht es auch um die Bildung von Allianzen zwischen an Agrarreformen interessierten Parteien und Umweltverbänden. Letztere genießen großes Vertrauen (der bayerische BUND-Landesverband beispielsweise hat mehr Mitglieder als die CSU).

Auch die SPD hat die Chance, mit konsequenten Reformkonzepten und konkretem Einsatz für mehr Verbraucherschutz ihr Vertrauen in der Bevölkerung zu festigen. Sie hat eine Reihe von Experten, die seit langem für mehr Verbraucher- und Naturschutz und eine zukunftsfähige Energie- und Klimapolitik streiten. Jetzt müssen wir gemeinsam gegen den agrarpolitischen Rollback vorgehen und die unterstützenswerten Vorschläge des EU-Agrarkommissars Dacian Ciolos durchsetzen und verbessern helfen. Ciolos will eine „grüne“ Agrarpolitik in Europa, er will eine festgelegte Summe der rund 60 Milliarden Euro Agrarsubventionen für Umwelt- und Tierschutzbelange ausgeben, und er will dabei auch die osteuropäischen Landwirte besserstellen (die derzeit nur einen Bruchteil der Flächenprämie ihrer West-Kollegen erhalten). Die Reformkräfte im Agrarsektor arbeiten daran, dass eine wachsende Weltbevölkerung gerechten Zugang zu bezahlbaren und gesunden Lebensmitteln hat. Landwirte sollen wieder mehr Anerkennung für ihre Arbeit finden und die Menschen sich hoffentlich auch künftig in einer lebenswerten Umwelt mit sauberen Gewässern und artenreichen Biotopen erholen können. 



Autor*in
Hubert Weiger

Hubert Weiger ist seit 2007 Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland BUND. Der Diplomforstwirt wurde 1987 Hochschullehrer. Seit 1994 lehrt er an der Universität München.

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