Inland

Zeit zum Umfairteilen: Jetzt ist Klartext gefragt.

von Ulrich Schneider · 1. Mai 2013

Über 100 Milliarden gehen dem Fiskus alljährlich durch Steuerbetrug verloren. "Viel Geld, das viele Probleme lösen könnte", schreibt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, in einem Gastbeitrag für den vorwärts.

Die Deutsche Steuer- und Haushaltspolitik steht unzweifelhaft vor einem Scheideweg. Auf der einen Seite eine Schuldenbremse, die zu strukturell ausgeglichenen Haushalten zwingt. Auf der anderen Seite drängender Reformbedarf von der Pflege bis zur Bildung, den kein Politiker ernsthaft bestreiten wollte. Die Herausforderungen sind groß. 

Wir brauchen eine Reform der Pflegeversicherung, die mehr ist als ein Placebo und für alle Menschen dauerhaft eine Pflege sicherstellt, die der Würde des Menschen entspricht. Wir brauchen Hilfen für alle Langzeitarbeitslose, auch für die rund 400.000, von denen wir wissen, dass sie kaum noch auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelbar sind.

Wir brauchen bedarfsgerechte, stadtteilbezogene und familienorientierte Angebote der Jugendarbeit und des Bildungssystems für all jene Kinder, die besonders schlechte Chancen haben, und die jetzt mit monatlichen 10 Euro-Gutscheinen aus dem Hause von der Leyen abgespeist werden. Wir brauchen ein Teilhabegesetz für Menschen mit Behinderung, das endlich ernst macht mit einer Politik auf Augenhöhe und dem noch so fernen Leitziel des selbstverständlichen Miteinanders von Behinderten und Nicht-Behinderten. Keiner, der solchen für einen Sozialstaat selbstverständlichen Ansprüchen offen widersprechen wollte.

Doch wird es ernst, scheiden sich die Geister. Und ernst wird es beim Geld. Auf jährliche Mehrausgaben von rund 7 Milliarden werden allein die Kosten für eine tatsächliche Pflegereform geschätzt, auf weitere 5 Milliarden die Kosten für verschiedene Modelle der öffentlich geförderten Beschäftigung. Eine Erhöhung der Regelsätze in Hartz IV auf 420 Euro im Monat, so dass die Menschen wenigstens auf bescheidenstem Niveau ihre Grundbedarfe stillen und etwas teilhaben können an Kultur oder Sport, schlägt bei der jetzigen Anzahl von Hartz-IV-Beziehern ebenfalls mit rund 7 Milliarden mehr zu Buche. 

Die notwendigen Ausgaben für eine inklusive Behindertenpolitik und eine Bildungspolitik, die tatsächlich alle mitzunehmen in der Lage ist, sind bisher nicht mal annähernd beziffert. Eines steht jedoch fest: Wer so tut, als seien all diese Herausforderungen zu stemmen, ohne dass irgendjemand hierzu etwas hergeben müsse, verschweigt die unangenehme Wahrheit. Wer sich gegen jegliche Form der UmFairTeilung sperrt, sollte auch so ehrlich sein und den Pflegebedürftigen, den behinderten Menschen, den Langzeitarbeitslosen oder den benachteiligten Kindern offen sagen, dass aus seiner Sicht für sie nichts drin ist, in seinem politischen Programm. Wer wissen will, wie ernst es Parteien mit der Sozial-, Bildungs- und Familienpolitik meinen, sollte deshalb in den Wahlprogrammen nicht unter diesen Kapiteln, sondern unter „Steuerpolitik“ nachschlagen und schauen, was er hier Verbindliches zu Einkommensteuer, Vermögensteuer oder Erbschaftssteuer findet.

Rund 400 Milliarden Euro Schwarzgeld sind nach Schätzungen der Deutschen Steuergewerkschaft weltweit aus Deutschland auf ausländischen Konten angelegt. Über 100 Milliarden gehen dem Fiskus damit alljährlich durch diesen Steuerbetrug verloren. Viel Geld, das viele Probleme lösen könnte. 

Durch den Fall Hoeneß hat die Steuerhinterziehung im großen Stil – wie schon beim Ex-Postler Zumwinkel – wieder einmal ein Gesicht bekommen. Und siehe da: Es sind gar nicht nur irgendwelche Dunkelmänner und zwielichtige Gestalten. Es sind offensichtlich auch Prominente mit bis dahin vermeintlich bestem Leumund, Mitglieder jener Runden, die sich selbst gern als politische und wirtschaftliche Elite beschreiben. Die notwendige UmFairTeilung verlangt in dieser Gesellschaft eine Grundhaltung der Solidarität, der gemeinschaftlichen Verantwortung und des Anstands. Sie verlangt die Bereitschaft, etwas für dieses Gemeinwesen zu tun, und von einigen die Bereitschaft, im wahrsten Sinne des Wortes abzugeben, zu teilen. Die Reaktion der Politik auf Fälle von Steuerkriminalität – gerade von Prominenten aus ihren eigenen Elite-Reihen – hat erheblichen Einfluss auf die moralische Verfasstheit dieser Gesellschaft. Jetzt ist Klartext gefragt.

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