In Würde sterben
Es gibt in Deutschland Vereine, deren Zweck der Tod ist. Sie bieten die Dienstleistung „Sterbehilfe“ nicht nur unheilbar Kranken an, sondern auch Menschen, die den Mut zum Leben verloren haben, weil sie schwer depressiv oder einsam, behindert und alt sind. Bei einigen Vereinen bekommt man den Tod schneller, wenn man mehr zahlt. Ist das mit Menschenwürde und mit Humanität vereinbar? Ich meine Nein.
Was wir statt solcher „Sterbehilfevereine“ brauchen, ist eine bessere Versorgung mit Palliativmedizin. Wir brauchen mehr Hospize, in denen Sterbende mit berührender Fürsorge begleitet werden. Wenn Jeder die spezialisierte ambulante Palliativversorgung kennen und in Anspruch nehmen könnte, wäre der Ruf nach dem angeblich so schönen Tod in der Schweiz überflüssig.
Keine gesellschaftliche Suizidhilfe
Wir brauchen mehr Sensibilität für psychisch Kranke. Denn die meisten Suizidwünsche haben diese Ursache. Und Depression ist behandelbar. Die Betroffenen dürfen nicht einem Sterbeverein überlassen werden, sondern brauchen Hilfe. Und wenn alte und einsame Menschen sich den Tod wünschen, um ihren Enkeln „nicht zur Last zu fallen“, dann darf die Antwort der Gesellschaft darauf nicht die organisierte Beihilfe zum Suizid sein. Sondern es muss eine gesellschaftliche Anstrengung geben, damit Alter, Pflege und der Weg zum Sterben menschlicher werden.
Ja, Menschen wollen über ihr Lebensende selbst bestimmen. Wir alle wollen möglichst schmerzfrei sterben können. Unsere Verwandten und Liebsten wollen und sollten wissen, wie wir über unser Lebensende denken, wenn wir nicht mehr selbst entscheiden können. Das kann kein anonymer „Sterbehilfeverein“ ersetzen. Deshalb plädiere ich dafür, die Tätigkeit dieser Vereine zu unterbinden. Allerdings nicht mit dem scharfen Schwert des Strafrechts. Stattdessen sollten das Vereinsrecht angepasst werden und das Betäubungsmittelrecht restriktiver angelegt sein, um die Abgabe der todbringenden Medizin zu verhindern.
Weder Schwarz noch Weiß
Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass wir den Ärztinnen und Ärzten sowie den Pflegenden in Absprache mit dem Umfeld eines Sterbenden mehr Möglichkeiten einräumen, die Wünsche eines Todkranken zu berücksichtigen. Dass zurzeit die ärztlichen Standesregelungen in den Bundesländern unterschiedlich sind, ist nicht hinnehmbar. Die „palliative Sedierung“, bei der Medikamente verabreicht werden, die Schmerz und Leid lindern, obwohl sie im manchen Fällen das Leben verkürzen, muss überall möglich sein. Jeder Fall ist individuell und kann nur in Beziehung zum Betroffenen beurteilt werden. Es gibt in dieser ethischen Frage kein Schwarz und kein Weiß. Die Würde des Menschen gilt auch dann weiter, wenn er schwer krank und hilfsbedürftig ist. Und ein würdiger Tod gehört zum Leben.
ist parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie Sprecherin des Arbeitskreises Christinnen und Christen in der SPD.