Worum es bei der Sozialwahl 2017 geht
Sie gilt als Kernstück der Demokratie in der Sozialversicherung: die Sozialwahl für Rente und Gesundheit. Alle sechs Jahre wählen die gesetzlich Versicherten ihre Vertreter in die Selbstverwaltung der Renten-, Kranken- und Unfallkassen. „Ein auf der Welt fast einmaliges System, dass Beitragszahler mit entscheiden, wofür ihre Gelder eingesetzt werden“, lobt Bundesministerin Andrea Nahles bei der Auftaktveranstaltung zu den Sozialwahlen am Dienstag in Berlin. Ein Privileg, das Privatversicherte nicht genießen, es sei denn, sie würden Aktien erwerben.
Superwahljahre wirken ansteckend
Doch obwohl die Sozialwahl eine der größten Wahlen Deutschlands ist, ist sie vielen unbekannt. Klaus Wiesehügel, stellvertretender Bundeswahlbeauftragter für die Sozialversicherungswahlen, kritisiert in diesem Zusammenhang auch Medienvertreter, die diese Wahl als Relikt einer alten Zeit infrage stellen.
„Was ist die Alternative“, fragt er: „Dass Vorstände entscheiden, um Gewinne zu maximieren?“ Ein ehrenamtlicher Versichertenberater der Selbstverwaltung der Deutschen Rentenversicherung berät Versicherte und Rentner, wie sie am meisten Rente erhalten, beschreibt Wiesehügel ein Beispiel. Würde er das bei einem privaten Rentenversicherer machen, würde er entlassen, fügt er hinzu.
Dennoch wird die Chance, über die Sozialwahl Einfluss zu nehmen, nur begrenzt wahrgenommen. So lag die Wahlbeteiligung 2011 bei gerade mal 30 Prozent. Nun besteht Hoffnung, dass im Superwahljahr 2017 mehr Versicherte von ihrem Abstimmungsrecht Gebrauch machen. „Superwahljahre haben Ansteckungspotenzial“, erklärt der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte. Dennoch müssten Menschen von der Notwendigkeit überzeugt werden, wählen zu gehen. In Zeiten, in denen Ungleichheite wachse, müsse man sich einbringen. Die Selbstverwaltung sei ein gutes Instrument, so Korte.
Mehr Frauen und Online-Wahlen
Es ist aber auch ein Instrument, das Reformen nötig hat, weiß die Bundeswahlbeauftragte der Sozialversicherungswahlen Rita Pawelski. Reformen waren auch Bestandteil des Koalitionsvertrages zwischen CDU/CSU und der SPD. Darin hatte man sich darauf verständigt, die Selbstverwaltung zu stärken und zu modernisieren.
Bei der Auftaktveranstaltung am Dienstag stehen zwei Veränderungen im Mittelpunkt der Diskussion: die Möglichkeit, online abzustimmen, um vor allem jüngere Versicherte besser zu erreichen, sowie die Einführung einer Geschlechterquote, um den Frauenanteil in den Selbstverwaltungen zu erhöhen. Denn der liege gerade einmal bei 18 Prozent und weit entfernt von einer Parität, erklärt Andrea Nahles. Nicht nur müssten mehr Frauen auf den Listen vertreten sein, es müssten auch mehr Frauen ein Amt besetzen, fordert sie.
Die Quote als Mittel zum Zweck
Die Vize-Vorsitzende des Verwaltungsrates der Barmer-Versicherung Ulrike Hauffe stimmt zu. Sollte dieses Ziel nicht freiwillig erreicht werden, schließt sie eine Quote nicht aus. „Die Quote ist kein Unwort, sondern Mittel zum Zweck“, sagt sie. Mit einer Parität in den Ämtern würde abgebildet, wer Beiträge einzahlt und wem die Krankenkasse gehört.
Rund 51 Millionen Menschen erhalten dieser Tage ihre Unterlagen zur Sozialwahl zugesandt. Gewählt wird per Briefwahl. Offizieller Wahltag ist der 31. Mai 2017. Bis zu diesem Tag muss der Stimmzettel angekommen sein. Einzige Ausnahme: Für die Versicherten der Barmer-Ersatzkasse findet die Wahl erst im September bis zum 4. Oktober 2017 statt.
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hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.