Inland

World Vision fordert Kinderrechte-Beauftragten im Bund

Mit der Präsentation ihrer vierten Kinderstudie hat die Organisation World Vision nicht nur ihre Ergebnisse präsentiert, sondern auch einige Forderungen an eine mögliche große Koalition formuliert.
von Johanna Lehn · 16. Februar 2018
Kinderrechte
Kinderrechte

Der Schwerpunkt der Studie, die 2007 das erste Mal erschien, liegt in diesem Jahr auf dem Thema Flucht: wie in Deutschland geborene Kinder Geflüchtete wahrnehmen und welche Erfahrungen sie mit ihnen machen. Damit legt World Vision die erste repräsentative Studie zu diesem Thema vor. Ergebnisse zeigen: Von den deutschlandweit 2500 befragten Kindern im Alter von neun bis elf Jahren haben 64 Prozent gute und sehr gute Erfahrungen mit Geflüchteten gemacht. Je öfter deutsche und geflüchtete Kinder in Kontakt kommen, desto positiver ist die Einstellung zu Geflüchteten. Sabine Andresen, Professorin an der Goethe-Universität Frankfurt und Teil des Forscherteams, hält Begegnungen in Schule und Freizeit dabei für unabdingbar. Gemeinsames Spielen müsse in beiden Elternhäusern möglich sein.

Kritik an AnKER-Zentren

In diesem Zusammenhang sieht Vorstandsvorsitzender Christoph Waffenschmidt die von einer möglichen großen Koalition geplanten AnKER-Zentren kritisch. Bis über solche zentralen Einrichtungen die kommunale Verteilung erfolge, blieben die Geflüchteten isoliert, so Waffenschmidt. Das verhindere die Integration und fördere eine Abschottung beider Seiten. „Unsere Studie belegt: Die Kinder müssen so schnell wie möglich raus aus den Aufnahmezentren und rein ins normale Leben“, fordert er.

Flucht ist in der Studie nur eins von vielen Themen. Neben Forschungsfeldern wie Mediennutzung, Selbstbestimmung und Wertschätzung steht auch Armut von Kindern im Fokus. 19 Prozent der befragten Kinder geben an, Armut zuhause zu erleben – das sind zwei Prozentpunkte mehr als im Jahr 2013. Kinder von Alleinerziehenden sowie Kinder mit Migrationshintergrund sind davon in besonderem Maß betroffen. Waffenschmidt sieht hier politischen Handlungsbedarf, der in den vergangenen Jahren offenbar versäumt worden sei.

Kindgerechte Politik: Aufgabe aller Ministerien

Dass laut Koalitionsvertrag Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden sollen, hebt der Vorsitzende positiv hervor, ebenso die Feststellung im Koalitionsvertrag, dass Kinder keine kleinen Erwachsene sind. Damit sei es allerdings nicht getan. Die Bedürfnisse von Kindern verlangten nicht nur in Medizin, Gesundheitswesen und Forschung besondere Berücksichtigung. „Kindgerechte Politik ist Aufgabe für alle Ministerien“, kommentiert er den Koalitionsvertrag. World Vision habe Zweifel, dass die Kinderrechte angemessen gewährleistet würden. Waffenschmidt stellt deshalb eine weitere Forderung: Es müsse die Stelle eines Kinderrechte-Beauftragten auf Bundesebene eingerichtet werden, der die Umsetzung und Einhaltung der Kinderrechte in der Politik gewährleiste.

Auch World Vision selbst will tätig werden. Als erstes steht ein parlamentarischer Abend ins Haus, an dem die Organisation mit Abgeordneten die Ergebnisse der Studie diskutieren und zu Handlung anhalten will.

Sabine Andresen fügt hinzu, dass es wichtig sei, an Schulen multiprofessionelle Teams aus Lehrern und Sozialpädagogen zu schaffen und den Schulalltag gemeinsam mit den Schülern zu gestalten – sowohl für die Integration, als auch für die Kinderrechte.

Autor*in
Johanna Lehn

studiert Politikwissenschaft und Soziologie und schreibt für den „vorwärts“.

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