Die soziale Spaltung wächst, diagnostiziert der Paritätische Gesamtverband. In seinem ersten Jahresgutachten zur sozialen Lage fordert er wirksamere politische Gegenmaßnahmen und kritisiert die bisherigen.
„Deutschland war noch nie so tief gespalten wie heute,“ sagt Rolf Rosenbrock. Der Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbandes verweist damit auf die Ergebnisse des ersten Jahresgutachtens seines Verbandes, das sich mit der Entwicklung des sozialen Zusammenhalts in Deutschland beschäftigt. Das Gutachten soll ein Gegenentwurf zum ökonomischen Blick auf Deutschland, wie ihn der Sachverständigenrat zur Begutachtung zur wirtschaftlichen Lage werfe, sein und künftig jährlich im April erscheinen.
Darin wertet der Verband Daten des Statistischen Bundesamtes und ähnlichen Institutionen zur Verteilung von Arbeit und Geld ebenso aus, wie er politische Maßnahmen zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes unter die Lupe nimmt. „Arbeit und Geld sind beides wesentliche Voraussetzungen für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“, erläutert Rosenbrock.
Kaum noch „gute Arbeit“
Die Zahlen zeigen, dass die Kluft zwischen armen und reichen Teilen der Bevölkerung immer größer werde, so Rosenbrock. „Die Armutsquote hat mit 15,2 Prozent einen Höchststand erreicht.“ Besonders Alleinerziehende und Erwerbslose seien armutsgefährdet, warnt das Gutachten. Zugleich sei die Qualität der Arbeit gesunken: Minijobs, Teilzeitbeschäftigung, bei denen der Lohn nicht zum Leben reiche und befristete Arbeitsverhältnisse nähmen zu. „Gute Arbeit“ werde hingegen immer seltener, kritisiert der Vorsitzende des Gesamtverbandes.
Den Mindestlohn begrüßte der Verband daher ausdrücklich. Seine Einführung sei ein „Ausdruck von Gerechtigkeit und Wertschätzung auf dem Arbeitsmarkt“ und „ein Schritt in Richtung gesellschaftlicher Zusammenhalt“, sagt Rosenbrock. Insgesamt seien die bisherigen politischen Maßnahmen jedoch defizitär, urteilt der Vorsitzende.
Auch mit dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung zeigt er sich nicht zufrieden: Die Rente mit 63 trage nicht zur Bekämpfung der Altersarmut bei und das 2011 von der Union beschlossene Bildungs-und Teilhabepaket zur Förderung armer Kinder laufe ins Leere.
Rosenbrock mahnt daher ein stärkeres politisches Eingreifen und Nachbesserungen bei der Armutsbekämpfung an. „Gerade Schwarz-Rot hat große Verpflichtungen, die es einzulösen gilt.“