Wenn wir es zulassen, dass sich die Gewichte in der globalen Welt weg von Europa verschieben, steht unsere Zukunft auf dem Spiel. Dank der Europäischen Einigung können wir heute noch gut im globalen Wettbewerb bestehen. Im europäischen Einigungsprozess ist seit der EU-Gründung 1957 viel erreicht worden. Was ist jetzt zu tun, um den Erfolg zu sichern?
Der geschichtliche Rückblick zeigt, dass es Staaten gab, die mehr als 500 Jahre lang ihren Erfolg halten konnten. Das hieße, die EU würde bis mindestens 2457 bestehen. Das kann aber nicht das Ziel sein. Angestrebt werden soll der Fortbestand des geeinten Europas in einer immer besseren Welt ohne Datumsbegrenzung. Welche Schritte sind dafür erforderlich?
Sieben Vorschläge:
Der wichtigste ist, Europas Menschen dauerhaft davon zu überzeugen, wie wichtig das geeinte Europa für ihr Leben und ihre Zukunft ist, und dass sie sich aktiv an seiner Fortentwicklung beteiligen.
Wie kann dies erreicht werden?
Wer einmal vor dem historischen Niederwaldenkmal über Rüdesheim am Rhein gestanden hat, kann ermessen welche Jahrtausendleistung es bedeutet, aus ehemaligen Erzfeinden und nach schrecklichen Kriegen Freunde in einem einigen Europa zu gewinnen.
Das nach dem Krieg gegen Frankreich 1871 beschlossene und 1883 eingeweihte heroische Denkmal verkörperte einerseits den Sieg über den Erzfeind Frankreich und anderseits den deutschen Nationalstaatsgedanken. Auch an anderen Orten in Deutschland sah es nicht weniger heroisch aus. So steht auf dem Grabstein des Ehrenbürgers von Bad Tölz, Johann Nepomuk Sepp „Der Tod ist ewiges Weltgesetz, doch leichter ist gestorben, seit Elsass-Lothringen mit Metz und Straßburg wir erworben“.
Auch im 1. Und 2. Weltkrieg galt Frankreich als Feind. Nach diesen beiden von deutschen Politikern entfachten Weltbränden waren die deutsch-französische Aussöhnung und die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die Montanunion und dann die EWG der wichtigste Schritt. Es hätte auch anders kommen können. Durch kluge Politik, so sieht man, kann aus Feindschaft Freundschaft entstehen. Seit 67 Jahren ist dadurch Frieden in Europa. Eine starke EU kann ihr Gewicht auch zur Entspannung in heutigen Konflikt- und Kriegsregionen der Welt besser einsetzen als Einzelstaaten.
Sie reden uns schlecht
Die zweite Grundlage ist die Sicherung von Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit durch und in Europa. Die EU ist mit ihren demnächst 28 Mitgliedsländern und über 500 Millionen Einwohnern der mit Abstand größte und leistungsfähigste Wirtschaftsraum der Welt. Es ärgert mich, wenn selbst hochbezahlte Fernsehmoderatorinnen im deutschen Fernsehen darüber plappern, dass die USA an erster Stelle lägen, dann Japan und China kämen und dann lange nichts. Sie reden uns schlecht.
Die Wahrheit ist, dass die EU mit gut 13 Billionen Euro weit vor den USA mit etwa 9 Billionen Euro Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegen. Möglich ist dies auch durch den großen gemeinsamen Binnenmarkt der EU und ihrer Exporterfolge. Den erworbenen Reichtum gerecht zu verteilen ist in unserer europäischen Leistungsgesellschaft genauso wichtig, wie in zu erlangen.
Es gibt sowohl was den wirtschaftlichen Erfolg als auch die soziale Gerechtigkeit anbetrifft in der EU ein Nord-Süd-Gefälle. Dieses hängt nicht nur mit den höheren Durchschnittstemperaturen im Süden zusammen. Am „nordischen Modell“ der skandinavischen Staaten kann man ablesen, wie Anpassungen an die globalen Wirtschaftsveränderungen gelingen können. Soziale Gerechtigkeit, hohe Löhne, ein starker öffentlicher Sektor und gute soziale Sicherung mit Leistungsanreizen führen zu wirtschaftlicher Stärke und niedriger Arbeitslosigkeit. Im nordischen Modell besitzt auch der Arbeitsschutz einen hohen Stellenwert. Wesentliche Grundlage ist auch eine gut funktionierende rechtsstaatliche öffentliche Verwaltung.
Schutz der Umwelt
Eng mit dem zweiten Überzeugungspunkt für die EU hängt der dritte, die Sicherung der Innovationsfähigkeit der EU durch Bildung und Wissenschaft zusammen. Erhebliche Anstrengungen in Aus- und Weiterbildung legen die Grundlage für erfolgreiche wissenschaftliche Arbeiten und konkret nutzbare Forschungsergebnisse. Dies sichert den Erfolg im internationalen Markt und entsprechend Arbeitsplätze in der EU. Deren Produkte müssen in erster Linie im Höher- und Hochpreissektor liegen.
Der vierte Vorschlag bezieht sich auf die gemeinschaftlichen Anstrengungen der EU zur Sicherung der Lebensgrundlagen und zum Schutz der Umwelt. Es liegt auf der Hand, dass weder Klimaveränderungen, noch Auswirkungen von Störfällen in technischen Großanlagen vor nationalen Grenzen Halt machen. Europäisch lassen sich grenzüberschreitende Umweltprobleme besser lösen und europäisch ist die Einflussnahme auf den globalen Umweltschutz eindeutig leichter. Europa kann in der Welt umso positiver auf die Erhaltung der Lebensgrundlagen einwirken, wenn es bei sich selbst dazu seine Hausaufgaben gemacht hat.
Punkt fünf ist die Sicherung der Energiezukunft der EU durch technologische Entwicklungen und kluge Zusammenarbeit. Nach der Katastrophe von Fukushima wissen wir, dass die Atomenergie keine Lösung ist. Deutschland wird die Energiewende schaffen und kann damit ein wenig beispielgebend wirken. Jede Region in der EU muss ihre speziellen Voraussetzungen für eine dauerhafte und sichere Energieversorgung nutzen und sich damit am europäischen Energieverbundnetz beteiligen. Wir müssen auch den Zusammenhang zwischen Klimaveränderung und Energieverbrauch berücksichtigen. Negative menschliche Einflüsse müssen eingedämmt werden und darüber hinaus muss der Anpassungsprozess an Klimaveränderungen, die es seit Bestehen der Erde gibt, organisiert werden.
Wird es wärmer, was in den letzten hundert Jahren messbar der Fall war, kann der Energieverbrauch für die Raumheizung sinken. Da der Energieanteil, der für Heizungszwecke verbraucht wird in der EU bei rund 40 Prozent liegt, besteht darin ein hohes Energiesparpotenzial.
Europa soll in Zukunft soweit es geht energieautark werden. Auf eine langfristig sichere Energieversorgung sind wir beinahe so stark angewiesen wie auf Trinkwasser. Sich auf diesen Feldern von Importen abhängig zu machen, wäre ein großer Fehler. Dennoch sollte die EU auch im Energiebereich mit den globalen Partnern gut zusammenarbeiten. Warum nicht Solarenergie im sonnenreichen Afrika technisch intelligent erzeugen und nach Europa bringen? Das geht natürlich nur dann gut, wenn auch die Menschen in Afrika davon profitieren.
Verbraucherschutz und persönöiche Freiheit
Sechster Punkt ist der wirksame Schutz der Verbraucher und die Stärkung ihrer Rechte in und durch die EU. Hier hat die EU schon viel erreicht. Mobiles Telefonieren, Flugreisen, transnationaler Geldverkehr- all das wäre ohne die gesetzlichen Regeln der EU für die Verbraucher viel teurer. Auch hat die EU die Garantiezeit bei technischen Geräten im Sinne der Verbraucher von sechs Monaten auf zwei Jahre erhöht. Verbraucherschutz ist aber noch mehr. Es geht darum das Individuum in seinen Rechten gegenüber großen Anbietern und deren Werbung auf allen Ebenen zu schützen.
Dies führt zum siebten Punk, die persönliche Freiheit jedes Einzelnen, die durch die EU immer größer werden kann. Und mit diesem Punkt schließt sich der Kreis zum ersten. Willy Brandt, der große deutsche Bundeskanzler und Europäer hat einmal gesagt: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles andere nichts.“ Gemeint hat er die Freiheit, die durch Gewaltherrschaft und Krieg zuerst bedroht ist.
Europas reiche Kultur, seine Kraft durch Vielfalt und seine demokratische Grundordnung sind die Pfeiler der Freiheit. Konkret wird sie im Europa der offenen Grenzen. Überall in der EU reisen, studieren, arbeiten und leben zu können ist eine große Errungenschaft der EU genauso wie der Euro.
Frieden, Freiheit und Wohlstand in Gesundheit für alle in einer gesunden Umwelt sollen die Markenzeichen Europas in der Zukunft sein.