Inland

Wo es im Einwanderungsland Deutschland noch hakt

Deutschland braucht mehr Fachkräfte, auch aus dem Ausland. Für deren Zuzug, hat die Bundesregierung gesetzliche Regelungen getroffen. Deutschland soll ein attraktives Einwanderungsland werden - dafür ist aber nicht nur die Politik gefragt.
von ohne Autor · 26. Mai 2023
„Deutschland ist ein Einwanderungsland“, betonte Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei dem Fachgespräch der SPD-Bundestagsfrasktion zum Thema „Fachkräfte gewinnen,Transformation meistern, Wohlstand sichern“.
„Deutschland ist ein Einwanderungsland“, betonte Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei dem Fachgespräch der SPD-Bundestagsfrasktion zum Thema „Fachkräfte gewinnen,Transformation meistern, Wohlstand sichern“.

Alexander Mundrian hat in Deutschland ein neues Zuhause gefunden. In Düsseldorf gründete der Israeli das Start-up Denglisch Docs. Das Unternehmen entwickelt Lösungen, um das Englisch von Menschen im deutschsprachigen Raum zu verbessern. „Deutschland hat viel Potenzial, aber es könnte gegenüber Menschen aus anderen Ländern einladender sein“, sagt Mundrian.

Mundrians Worte skizzieren viele Baustellen, wenn es um die Gewinnung von ausländischen Fachkräften geht. Das von der Bundesregierung vorgelegte Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung soll Verbesserungen bringen. Für Menschen aus EU-Drittstaaten soll es einfacher werden, zum Arbeiten nach Deutschland zu kommen und auch langfristig hierzubleiben.

Zudem wird die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und der Arbeitserfahrung erleichtert. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, sollen auch die Potenziale im Inland besser ausgeschöpft werden. Hier setzen die im Bundesarbeitsministerium entwickelten Gesetzentwürfe zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes und für bessere Weiterbildungsmöglichkeiten an.

7,5 Millionen Fachkräfte ersetzen

Der Handlungsbedarf ist groß: Bis zum Jahr 2035, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, müssen 7,5 Millionen Fachkräfte ersetzt werden. Ingenieur*innen, Erzieher*innen oder Handwerker*innen sind schon jetzt Mangelware – eine ernsthafte Bedrohung für den Wirtschaftsstandort Deutschland, sind sich Expert*innen einig.

Die Folgen dieser Entwicklung sind bereits zu spüren. „100 Milliarden Bruttoinlandsprodukt konnten im Jahr 2022 nicht erwirtschaftet werden, weil Fachkräfte fehlten“, warnte Bernd Westphal, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, bei einem Fachgespräch der Fraktion in Berlin zum Thema „Fachkräfte gewinnen,Transformation meistern, Wohlstand sichern“.

Bei der Vorstellung der Gesetzentwürfe machten Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) deutlich, dass sich in Deutschland etwas bewegen muss. Auch, wenn es darum geht, mehr Menschen aus dem Inland für den Arbeitsmarkt zu gewinnen. Zum Beispiel die 2,6 Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren, die ohne abgeschlossene Berufsausbildung sind.

Gesellschaftliches Klima ist entscheidend

Und auch Langzeitarbeitslosen – zwei Drittel von ihnen haben keinen Berufsabschluss. Auch die Frauenerwerbsquote soll gesteigert und mehr ältere Beschäftigte und Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt integriert werden. „Wir müssen anders auf das Potenzial und die Qualifikationen der Menschen schauen“, sagte Heil. Klar ist aber auch: Ohne Fachkräfte aus dem Ausland wird es nicht gehen.

„Deutschland ist ein Einwanderungsland“, betonte Faeser bei dem Fachgespräch. Diese Tatsache hätten die Vorgängerregierungen verschlafen. Deutschland sei aktuell für ausländische Fachkräfte nicht das Top-Ziel, weil die Gesetzgebung hohe Hürden für qualifizierte Fachkräfte aufbaue. „Das wollen wir ändern“, so Faeser.

Klassische Einwanderungsländer wie Kanada böten eine Perspektive für die Einbürgerung, was für Fachkräfte attraktiv sei. Zudem müssten sich Fachkräfte in Deutschland willkommen fühlen. Dazu gehöre ein entsprechendes gesellschaftliche Klima. Den nötigen Kurswechsel leite die Bundesregierung nun ein. Dazu gehöre auch die Modernisierung des Staatsbürgerschaftsrechts, so Faeser.

Hindernisse im Alltag

Zugewanderten müsse die soziale Integration und die Partizipation erleichtert werden. Und eben auch der Weg zur deutschen Staatsbürgerschaft. Die Politik kann den Rahmen für Veränderungen schaffen, doch dem Wandel hin zu einem attraktiven Einwanderungsland muss sich die gesamte Gesellschaft stellen: Dieser Tenor prägte die Redebeiträge auf dem Podium wie auch aus dem Publikum.

Auch die öffentliche Verwaltung sei dabei in der Pflicht. Mundrian meldete sich mit einem Beispiel zu Wort: „Es gibt viel zu wenige Verwaltungsdokumente in englischer Sprache. Das ist eine echte Integrationsbremse.“ Mundrian weiß, wovon er spricht: Als er die Gründung seines Unternehmens vorbereitete, seien sämtliche Unterlagen auf Deutsch gewesen.

Heil betonte, dass es letztendlich Sache der Wirtschaft sei, qualifiziertes Personal im Ausland zu finden. Bei dem Fachgespräch stieß der Appell auf offene Ohren. Etwa bei Jens Pohlmann. Der Geschäftsführer der ProContur GmbH in Wittlich wies zugleich darauf hin, dass die deutsche Bürokratie für viele Hindernisse sorge. Aktuell hat der Betrieb vier Auszubildende aus Kamerun.

„Bis die bei uns waren, mussten wir monatelang am Ball bleiben“, so Pohlmann. Wegen der vielen Regularien kümmere sich ein Mitarbeiter allein um die Anwerbung im Ausland. „Ich habe heute viele gute Worte gehört“, erklärte Mundrian nach dem Fachgespräch. „Nun kommt es darauf an, dass Taten folgen.“

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