Wirtschaftsweise: Rezession bei Corona nicht schlimmer als in Bankenkrise
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Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat ein Sondergutachten zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Wirtschaft vorgelegt. Darin prognostizieren die so genannten Wirtschaftsweisen einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zwischen minimal 2,8 Prozent und maximal 5,4 Prozent. Damit dürfte das BIP weniger schrumpfen als zur Zeit der Bankenkrise. Im Jahr 2009 ging es um 5,7 Prozent zurück.
Alle Prognosen „mit erheblichen Unsicherheiten“
Mit ihrem Sondergutachten zur Corona-Krise sind die Wirtschaftsweisen optimistischer als ihre Kollegen der großen Wirtschaftsforschungsinstitute. Das Institut für Weltwirtschaft hatte nämlich einen maximalen Rückgang des BIP von 8,7 Prozent prognostiziert, das Münchener Ifo-Institut sogar von 20,6 Prozent. Zugleich betonen die Wirtschaftsweisen, dass alle Annahmen über die weitere wirtschaftliche Entwicklung „mit erheblichen Unsicherheiten“ behaftet seien.
Die Tiefe der Rezession hängt nach Einschätzung der Weisen von der Dauer des Stillstands des öffentlichen Lebens und der wirtschaftlichen Tätigkeit ab. Von Woche zu Woche summieren sich damit die Verluste. Sie werden pro Woche auf etwa 40 Milliarden Euro geschätzt.
Weise: Kontaktverbote sind richtig
Gleichwohl halten die Wirtschaftsweisen die aktuellen Kontaktverbote für richtig. „An erster Stelle steht der Schutz der Gesundheit und damit das Ziel, Erkrankte gut zu versorgen und die Ausbreitung des Virus effektiv zu begrenzen“, sagte Lars Feld, der Vorsitzende des Sachverständigenrates.
Die milliardenschweren Hilfspakete der Politik für die Wirtschaft begrüßen die Wirtschaftsweisen ausdrücklich: Das „kommt zur richtigen Zeit“, heißt es in dem Gutachten. Auch Kurzarbeit und Zuschüsse für Kleinstbetriebe würden helfen, den wirtschaftlichen Einbruch einzudämmen. Die Betriebe sollten die Zeit des Stillstandes nutzen für Weiterbildung und Digitalisierung.
Drei Szenarien der Wirtschaftsweisen
Im Detail beinhaltet die Prognose drei Szenarien. Im Basisszenario, „dem ausgehend von der aktuellen Informationslage wahrscheinlichsten Szenario“, so das Gutachten, gehen die Weisen davon aus, dass sich die wirtschaftliche Lage über den Sommer normalisiert. Sie orientieren sich dabei am ähnlich sich abzeichnenden Verlauf in China. „Für das Jahr 2020 käme es dann im Basisszenario zu einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Höhe von -2,8 Prozent. Im kommenden Jahr könnten dann Aufholeffekte sowie ein hoher statistischer Überhang das Wachstum auf 3,7 Prozent ansteigen lassen.“
Die Weisen präsentieren dann zwei so genannte Risikoszenarien. Ein Risikoszenario, sie nennen es nach dem Verlauf der Wachstumskurve „ausgeprägtes V“, schätzt die wirtschaftlichen Folgen ab, „wenn es zu großflächigen Produktionsstillegungen kommen sollte oder die einschränkenden Maßnahmen länger als derzeit geplant aufrechterhalten werden.“ Danach könnte im zweiten Quartal 2020 die Wirtschaftsleistung um bis zu 10 Prozent einbrechen. Es würde sich für 2020 ein Rückgang des BIP um –5,4 Prozent ergeben. Aufholeffekte könnten dazu führen, dass 2021 die Wirtschaft 4,9 Prozent wächst.
Das schlimmste Szenario
„Sollten die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus über den Sommer hinaus andauern, könnte dies eine wirtschaftliche Erholung in das Jahr 2021 verzögern“, so das Gutachten. In diesem Risikoszenario (genannt langes U) könnten die getroffenen Maßnahmen der Politik „womöglich nicht ausreichen, tiefgreifende Beeinträchtigungen der Wirtschaftsstruktur durch Insolvenzen und Entlassungen zu verhindern“, heißt es im Gutachten der Weisen. „Verschlechterte Finanzierungsbedingungen sowie die gestiegene und verfestigte Unsicherheit könnten zudem Investitionen bremsen und zur Kaufzurückhaltung bei Haushalten führen. Schließlich drohen in einem solchen Szenario negative Rückkopplungen über die Finanzmärkte oder das Bankensystem.“ In diesem negativsten aller drei Szenarien würde die Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 um –4,5 Prozent sinken. Im kommenden Jahr würde die Wirtschaft mit einem Wachstum von 1,0 Prozent nur sehr langsam wachsen.