Eine mögliche Erklärung sieht der Wirtschaftsforscher Rudolf Hickel darin, dass die wirtschaftlichen Erfolge nicht auf dem Arbeitsmarkt ankommen. Zum einen, erklärt der Direktor des Instituts
für Arbeit und Wirtschaft (IAW) der Universität Bremen am Freitag in einem Interview im Deutschlandfunk, seien wenig Vollzeitarbeitsplätze geschaffen worden.
Prekäre Arbeitsverhältnisse nehmen zu
Gleichzeitig aber, und das sei seiner Meinung nach das Entscheidende, sei der Niedriglohnsektor ausgebaut worden. "Die Spaltung zwischen Vollzeitarbeitsplätzen und
Niedriglohnsektorarbeitsplätzen, prekären Arbeitsverhältnissen, hat enorm zugenommen. Und dort ist der ganz große Frust."
Ungleiche Einkommensverteilung
Ein anderes Problem sei, stellt Hickel fest, dass ich die Einkommensverteilung in den letzten Jahren verschoben habe und ungleicher geworden ist. Vor allem die sozial Schwachen am unteren
Rand haben mehr verloren. Hickel fordert deshalb einen Mentalitätswandel. "Wir müssen zwar immer über Armut reden, aber wir sollten auch mal über Reichtum reden, nämlich maßgeblich ist ja die
Frage, wo konzentriert sich bei wem der Reichtum und warum gelingt es nicht, hier eine Umverteilung zu organisieren?"
Umdenken erforderlich
Dass die Reichtums-Armuts-Debatte keine Neiddebatte sei, darauf hatte bereits der Bochumer Reichtumsforscher Ernst-Ulrich Huster auf einer Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion "Reichtum
in Deutschland". Huster bemängelte, dass es auch in dem von der Bundesregierung herausgegebenen Armuts- und Reichtumsbericht zu wenig Informationen über hohe Einkommen und Vermögen in Deutschland
gebe. Dies führe im Ergebnis zu einer
Unterschätzung der Reichtumskonzentration in der Bevölkerung.
Deutschland als Globalisierungsgewinner
Huster und Hickel warnen vor einer Neid- oder Geizdebatte. Angesichts der Tatsache, dass "Deutschland in der Gesamtheit zu den Globalisierungsgewinnern der Welt gehört", müsse es, so Hickel
darum gehen, "hier etwas dazu beizutragen, dass die Verlierer einen Ausgleich erhalten." Konkret benennt der Wirtschaftsforscher vor allem die gering Qualifizierten, "die im Zuge dieser
Globalisierung, der Verlagerung von Produktion, unter die Räder geraten". Es sei entscheidend, auch bei der Durchsetzung von Reformen, deutlich zu machen, wo die echten Reformen liegen, wo die
Gewinne liegen und wer die Verlierer sind. "Dann", vermutet Hickel, "würde auch die Gefolgschaft beziehungsweise die Unterstützung von Reformpolitik erheblich stärker sein."
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.