Inland

Wirtschaft und Menschenrechte: Heil kündigt Lieferkettengesetz an

Noch in dieser Legislaturperiode soll es ein Lieferkettengesetz geben. Das erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Das Gesetz soll große Unternehmen verpflichten, bei ihren Lieferketten auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten.
von Lars Haferkamp · 14. Juli 2020
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mahnt: „Wer sich um Menschenrechte kümmert, darf keinen Wettbewerbsnachteil haben.“
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mahnt: „Wer sich um Menschenrechte kümmert, darf keinen Wettbewerbsnachteil haben.“

Unternehmen ab 500 Mitarbeiter*innen sollen künftig gesetzlich verpflichtet werden, für die Einhaltung von Menschenrechten und sozialen Mindeststandards in ihren Wertschöpfungsketten zu sorgen. Das gab Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Berlin zusammen mit Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CDU) bekannt.

Hubertus Heil: Der Staat muss handeln

Man könne „nicht mehr allein auf Freiwilligkeit setzen“, erklärte Heil auf einer Pressekonferenz im Bundesarbeitsministerium. Die Bundesregierung habe „einen klaren Handlungsauftrag“: Man werde „jetzt gemeinsam an Eckpunkten für eine Regelung unternehmerischer Sorgfaltspflicht in Lieferketten zur Stärkung von Menschenrechten arbeiten“. Ziel sei, das Ganze im August im Bundeskabinett zu beschließen und dann unmittelbar mit der Gesetzgebung zu beginnen. „Da ist der Koalitionsvertrag ganz klar“, so Heil.

SPD und Union hatten in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, dass sie „national gesetzlich tätig“ werden, wenn eine Überprüfung des Nationalen Aktionsplans (NAP) Wirtschaft und Menschenrechte zu dem Ergebnis komme, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen in der Praxis nicht ausreiche. Genau das sei jetzt der Fall, sagte Heil. „Die Ergebnisse sind eindeutig, deshalb ist Gesetzgebung notwendig.“

Wirtschaft verfehlt Freiwilligenquote klar

In der von der Bundesregierung beauftragten Befragung war erneut deutlich geworden, dass sich die Firmen an freiwillige Vorgaben nicht halten. Das war bereits das Ergebnis einer ersten Befragung im Jahr 2019. Von den rund 2.250 in der zweiten Fragerunde im Jahr 2020 befragten Unternehmen gaben nur 455 Unternehmen gültige Antworten ab. Damit kommen deutlich mit 18 Prozent in der ersten und mit 22 Prozent in der zweiten Umfrage weniger als 50 Prozent ihrer unternehmerischen Sorgfaltspflicht nach. Die nötige Quote zur Erfüllung wird somit eindeutig verfehlt.

Walter-Borjans kritisiert CDU und Wirtschaftsverbände

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte gegenüber dpa: „Wenn sich namenhafte Unternehmen in der größten und stärksten Volkswirtschaft Europas nicht in der Lage sehen, mit eigener Initiative auf die Einhaltung von Menschenrechten und sozialen Mindeststandards für ihre weltweiten Produktionen zu achten, muss der Gesetzgeber handeln.“ Zugleich übte er deutliche Kritik: „Ich bin erschüttert über die Ergebnisse des Monitorings und die starre Haltung von Teilen bei CDU und Wirtschaftsverbänden. Das alles zeigt, dass wir ein Lieferkettengesetz brauchen – nicht irgendwann, sondern noch in dieser Legislaturperiode.“

Menschenrechte seien kein „nice to have“, betonte Bundesminister Hubertus Heil, sie stünden am Beginn des Grundgesetzes in Artikel 1 und hätten universelle Gültigkeit. „Da ist Deutschland in der Verantwortung: als Staat, als Volkswirtschaft, auch als Gesellschaft“, so der Arbeitsminister. Kinderarbeit müsse bekämpft werden, Arbeitsbedingungen müssten menschenwürdig sein. „Globalisierung darf nicht mit Ausbeutung verwechselt werden“, warnte er.

Gesetz soll für fairen Wettbewerb sorgen

Hubertus Heil stellte klar: „An der Verantwortung für Menschenrechte führt kein Weg vorbei.“ Dass Freiwilligkeit nicht ausreiche, zeigten die Ergebnisse der Umfrage. „Wir brauchen ein nationales Gesetz, um auch für fairen Wettbewerb zu sorgen“, so der Arbeitsminister. Das Lieferketten-Gesetz werde nur verlangen, was „machbar und verhältnismäßig“ sei. Und es schaffe Rechts- und Handlungssicherheit für die Unternehmen.

Die Pläne der Bundesregierung für eine gesetzliche Regelung erhalten breite Unterstützung aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft: Mehr als 60 renommierte Unternehmen fordern ein Lieferkettengesetz, unter anderem Tchibo, REWE, Nestlé, Alfred Ritter (Ritter Sport). Über 100 zivilgesellschaftliche Organisationen halten ein Gesetz ebenfalls für erforderlich.

Thema der deutschen EU-Ratspräsidentschaft

Das Thema ist auch ein Schwerpunkt des Bundesarbeitsministeriums während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft von Juli bis Dezember dieses Jahres. So möchte das Ministerium Impulse dafür setzen, dass die EU-Kommission einen EU-Aktionsplan „Menschenrechte und gute Arbeit in globalen Lieferketten“ erarbeitet. Schwerpunkt könnte nach den Vorstellungen in Berlin dabei eine EU-Gesetzgebung zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten sein in Anlehnung an die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte.

Im Gegensatz zu vielen Unternehmen lehnen die deutschen Wirtschaftsverbände die Pläne der Bundesregierung für ein Lieferkettengesetz ab. „Der Einführung eines nationalen deutschen Sorgfaltspflichtengesetzes erteilen wir eine Absage“, erklärten die Spitzenverbände von Arbeitgebern, Industrie und Handel – BDA, BDI, DIHK und HDE – klipp und klar am Montag. „Es müssen nationale Sonderwege mit nationalen Belastungen vermieden werden, um die ohnehin schwierige Wirtschaftserholung nicht noch mehr zu verzögern“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung mit Blick auf die Corona-Krise.

Katja Mast: Im Interesse der Unternehmen

Bereits am Montag kritisierten die Wirtschaftsverbände die zweite Unternehmensbefragung zum Thema „Wirtschaft und Menschenrechte“, deren Ergebnisse erst am Dienstag vorgestellt werden. Es seien aufgrund der Messmethoden „extrem verzerrende Ergebnisse“ zu erwarten, so die Verbände. Um als „Erfüller“ der abgefragten 37 Kriterien zu gelten, habe ein Unternehmen jedes einzelne dieser Kriterien erfüllen müssen.

Auf diese Argumentation lässt sich die SPD nicht ein. Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast steht zum Monitoringprozess der vergangen Monate und stellte klar: „Ist das Ergebnis unbefriedigend, kommt das Lieferkettengesetz wie vereinbart.“ Sie weist darauf hin, dass etliche deutsche Unternehmen bereits für ein Lieferkettengesetz werben und zurecht argumentierten, dass die Wahrung der Menschenrechte im Interesse aller Unternehmen  sei. „Diese Ansicht teile ich uneingeschränkt, Menschenrechte sind nicht verhandelbar – Menschenrechtsstandards auch nicht“, so Katja Mast. „Wer sich an die Standards hält, hat nichts zu befürchten."

Frank Schwabe: Deutschland soll Vorbild sein

Auch der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Frank Schwabe, spricht sich für Lieferkettengesetz aus. Die Befragungen der Unternehmen zeigten, dass deutsche Firmen „bei weitem nicht genug“ täten. „Die Wahrung der Menschenrechte entlang der Lieferkette muss jedoch Priorität haben. Werden Menschenrechtstandards nicht eingehalten, braucht es eine gesetzliche Regelung“, so Schwabe. Ein Lieferketten-Gesetz schaffe Orientierung und einheitliche Regeln für alle deutschen Unternehmen. „Darum werben auch viele Unternehmen für eine gesetzliche Regelung. Deutschland kann Vorbild für eine einheitliche europäische Regelung werden.“

Eigentlich wollten Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ihre gemeinsamen Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz bereits im März vorstellen. Damit sollen deutsche Unternehmen verpflichtet werden, auch bei ihren Lieferant*innen auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten. Doch dann kam die Corona-Krise und das Ganze wurde verschoben.

Für einen humanen und fairen Wettbewerb

Gleichwohl hatten sich die beiden Minister bereits im März auf Eckpunkte für ein Gesetz geeinigt. Es trägt den Titel „Sorgfaltspflichtengesetz“ und betont die Pflicht der Unternehmen für die Einhaltung der Menschenrechte entlang der Lieferketten zu sorgen – auch im Interesse eines humanen und fairen Wettbewerbs der Unternehmen, wie Arbeitsminister Hubertus Heil unterstreicht. Betroffen von den Gesetzesplänen sind Firmen mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen. Das wären in Deutschland rund 7.300 Unternehmen.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare