Wirecard-Skandal: „Peter Altmaier muss endlich politische Verantwortung übernehmen.“
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Am Mittwoch haben Sie im Finanzausschuss des Bundestags über mehrere Stunden die Minister Olaf Scholz und Peter Altmaier zu den Betrügereien bei Wirecard befragt. Was ist Ihr Fazit?
Was das Bundesfinanzministerium angeht, war diese Sitzung sehr erhellend. Olaf Scholz hat alle Karten auf den Tisch gelegt und klar gesagt, wo es Fehler gab und wie er sich vorstellt, wie ähnliches künftig verhindert werden kann. Für mich sind da keine Fragen offengeblieben. Die Sitzung hat gezeigt, dass Wirecard ein Skandal der Wirtschaftsprüfer ist. Deshalb war es auch so wichtig, dass Wirtschaftsminister Peter Altmaier an der Sitzung des Finanzausschusses teilgenommen hat, denn die Wirtschaftsprüfung fällt in seine Zuständigkeit. Leider kamen von ihm nur wenige konkrete Aussagen, wo aus seiner Sicht Fehler gemacht wurden.
Die Wirtschaftsprüfungsunternehmen haben über Jahre keine Auffälligkeiten bei Wirecard festgestellt. Wie konnte das passieren?
Es gab da über die letzten Jahre ein wahres Aufsichtswirrwarr, was zum einen mit den komplexen Strukturen bei Wirecard zu tun hat, zum anderen aber auch mit den Kompetenzen von Bundeswirtschafts- und Bundesfinanzministerium bis hin zum Land Bayern, das für den Tatbestand der Geldwäsche zuständig ist. Deshalb ist es auch wichtig, dass die Zuständigkeiten künftig klar geregelt sind. Hinzu kommt, dass Wirecard 2017 nicht als Finanzunternehmen, sondern als Technologiekonzern eingestuft wurde, sodass die BaFin nur die Wirecard-Bank überprüft hat, die im Firmengeflecht von Wirecard lediglich ein Mosaiksteinchen ist. Dadurch sind die kriminellen Machenschaften der Wirecard-Manager größtenteils unter dem Radar geblieben.
Den Wirtschaftsprüfern hätten sie aber schon auffallen müssen?
Ja, das ist die große Frage, wie die Fachleute von „EY“ Wirecard seit Jahren prüfen konnten, ohne die Luftbuchungen mitzubekommen. Dazu hat Bundeswirtschaftsminister Altmaier im Ausschuss nur wenig gesagt, sondern sich auf den Standpunkt zurückgezogen, er habe über die Wirtschaftsprüfer nur die Rechts- nicht aber die Fachaufsicht. Wenn wir den Skandal aufklären wollen, muss Peter Altmaier endlich aus der Deckung kommen und politische Verantwortung übernehmen. Letztlich hängt davon auch das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Deutschland ab.
Kann es funktionieren, dass ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen gleichzeitig berät und kontrolliert?
Wenn ein Unternehmen die Dinge prüft, die es zum Teil selbst vorgeschlagen hat, halte ich das für hochproblematisch. Deshalb fordert die SPD auch die Trennung von Prüfung und Beratung. Hinzu kommt, dass Wirtschaftsprüfungsunternehmen 20 oder in Ausnahmefällen sogar 24 Jahre ununterbrochen ein Unternehmen prüfen können. Dass es über einen so langen Zeitraum zu persönlichen Verbindungen kommt, lässt sich kaum vermeiden. Deshalb ist es auch so wichtig, die Rotationszeiträume zu verkürzen.
Finanzminister Olaf Scholz will als Reaktion die Finanzaufsicht mit mehr Kompetenzen ausstatten. Wie bewerten Sie das?
Das ist ganz wichtig, um Machenschaften wie bei Wirecard künftig wirksam etwas entgegenzusetzen und auch verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Entscheidend wird auch sein, die Wirtschaftsprüfungen unabhängiger zu machen. Minister Altmaier hat auf die Vorschläge bisher übrigens überhaupt nicht reagiert.
Bis zum 10. August können die Abgeordneten nun weitere Fragen an die Minister stellen. Was wollen Sie noch wissen?
Für mich sind vor allem bei den Wirtschaftsprüfern noch viele Fragen offen. Wenn Minister Altmaier hier tatsächlich nicht die Fachaufsicht hat, wie er behauptet, muss man das schnell ändern. Einfach nur zu sagen, er sei offen für Vorschläge, reicht nicht aus.
Wird es einen Untersuchungsausschuss geben?
Einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, ist das gute Recht der Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Aber sofern alle unsere Fragen beantwortet werden, halte ich ihn zum jetzigen Zeitpunkt in diesem Fall nicht unbedingt für notwendig.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.